Warum Du Bürgerrechte brauchst, Desinformationen verbreitest und Konservative und Liberale Teile…
Danke für Eure lieben Worten auf meinen letzten Newsletter bzw. das Editorial dort. Ob per Mail oder einer der zahlreichen Veranstaltungen…
Danke für Eure lieben Worten auf meinen letzten Newsletter bzw. das Editorial dort. Ob per Mail oder einer der zahlreichen Veranstaltungen letzte Woche. Das tat sehr, sehr gut! Trotz allem Fehlverhaltens, meiner Meinung nach nicht genügend Konsequenzen bei den Liberalen und noch viel Arbeit zur Aufarbeitung, darf jetzt eines nicht passieren: dass die AfD es schafft uns Demokrat:innen auseinander zu treiben. Denn genau das ist ihr Ziel. Und so schwer es sicher auch dem einen oder anderen fallen mag, wir müssen jetzt zusammen halten. Aber, wie Konstantin Kuhle zu recht sagt: sagt uns Eure Meinung, protestiert gegen uns. Zusammenstehen heißt nicht, nicht zu kritisieren.
Dankbar bin ich da zum Beispiel Marina Weisband, die nicht nur die Größe hat, sich für missverständliche Äußerungen zu entschuldigen und diese gerade zu rücken — eine Fähigkeit die zu vielen(!) fehlt. Aber auch, weil sie klar Stellung nimmt und sagt, dass es eine FDP braucht. Eine, und dafür setze ich mich ein, mit einem starken Fokus auf Bürgerrechte (und weitaus mehr, vor allem mehr als wirtschaftsliberale Politik), denn “FALLS eine AfD mehr Macht bekommt, möchte ich einen Staat, der mich nicht auf Schritt und Tritt überwachen kann.”
Aber nochmal zum restlichen Rückblick der Woche: ich war das erste Mal Sachverständige und durfte auf Einladung der Abgeordneten Maren Jasper-Winter im Abgeordnetenhaus von Berlin zum Thema “Digitale Gewalt gegen Frauen und Mädchen” aussagen. Neben zwei anderen Sachverständigen, die von der ganz praktischen Arbeit mit Frauen berichteten, habe ich mich auf die netzpolitische Perspektive beschränkt und unter anderem darauf verwiesen, dass es zu kurz kommt, sich nur Hate Speech anzusehen, Spyware in der Diskussion nahezu kein Thema ist und Polizei, Staatsanwaltschaften und die Justiz dringend besser ausgestattet werden müssen. Darin, dass eine Klarnamenpflicht keine Lösung ist, sondern das Problem für die Betroffenen eher nur verschärft, da waren wir uns alle einig.
Genießt Euren Sonntag
Ann Cathrin
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WHAT TO KNOW
“Illiberale Ideen kann man nicht mit illiberalen Gesetzen bekämpfen.” — aktuell hat das Bundesministerium der Justiz zwei sich teilweise überschneidende Gesetzesvorhaben laufen, über das ich im letzten Newsletter bereits berichtete: ein neues Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität und eine Ergänzung zum bestehenden Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Ersteres will auch Änderungen im NetzDG erwirken. Ebenfalls ersteres wurde kurz vor den Feiertagen veröffentlicht und Verbände, Organisationen und Institutionen wurden eingeladen, Stellungnahmen abzugeben und diese lassen kein gutes Licht an dem Entwurf. Selbst die Amadeu-Antonio-Stiftung und der Bundesdatenschutzbeaftragte kritisieren den Entwurf scharf. Unter anderen, weil die Daten hunderttausender unbescholtener Bürgerinnen und Bürger ans BKA ausgeleitet werden könnten. Daneben soll noch ein “Meinungsstrafrecht” wieder eingeführt werden, das heißt, zukünftig soll es wieder strafbar werden, eine künftige (eventuelle) Straftat gutzuheißen. Das gab es bereits zur Zeit der RAF, wurde aber 1981 wieder abgeschafft, weil es nichts brachte, stattdessen aber festgestellt wurde, dass “[d]ie negativen Wirkungen der Vorschriften, insbesondere auf das geistige Klima, und die Gefahren für die Meinungsfreiheit […] in keinem angemessenen Verhältnis zum kriminalpolitischen Nutzen [stünden].”
Als ein Bündnis von zwölf Organisationen haben wir daher einen Offenen Brief an die Ministerin Christine Lambrecht verfasst und fordern sie darin auf, die beiden Gesetzentwürfe zu überarbeiten und den Entwurf zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität nächste Woche nicht ins Kabinett einzubringen. Illiberale Ideen können nicht mit illiberalen Mitteln bekämpft werden. Eine Evaluation des NetzDG steht noch aus und die Vorhaben schwächen neben unseren Bürgerrechten auch die IT-Sicherheit Deutschlands. Hier könnt Ihr den Offenen Brief nachlesen und wer ein Tagesspiegel Background Abo hat, kann hier die erste Berichterstattung darüber finden.
NetzDG-Reform: “Verdachtsdatenbank nie gekannter Dammbruch” | heise online — www.heise.de
Noch eine Verschärfung des NetzDG kommt aus dem Bundesrat. Hier wollen die SPD geführten Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern die Klarnamenpflicht bei Games einführen 🙄Man kann hier gerne nochmal Sascha Lobos Kolumne zur Klarnamenpflicht durchlesen, der die Befürworter als die “Impfgegner des Internets” bezeichnet, falls man noch nicht so ganz überzeugt von der Problematik von Klarnamen im Netz ist. Ebenfalls lesenswert ist auch dieser Text von Netzpolitik, der unter anderem am Beispiel von Halle zeigt, dass sehr häufig Polizei und Staatsanwaltschaft nicht in der Lage ist, im Netz zu ermitteln, beziehungsweise Daten rechtzeitig anzufordern. Außerdem werden häufig Plattformen genutzt, deren Server im Ausland liegen — daher werden sie teilweise eh nicht unter deutsche Gesetzgebung fallen, oder sie halten sich einfach nicht dran. Die Gefahren, denen wir aber ausgesetzt sind, wenn wir unsere Personalausweise bei Plattformen vorzeigen müssen, zeigen sich schon alleine durch die vielen Datenskandale der letzten — ja es reicht schon “Wochen” zu sagen. Offen verfügbare Kundendaten beim Autovermieter Buchbinder beispielsweise, weil die nicht in der Lage waren, die Daten zu schützen. Die Risiken sind einfach viel zu hoch gegenüber dem Nutzen und bekämpfen werden wir Hasskriminalität nur, wenn wir Recht im Digitalen durchsetzen können. Dazu gehört aber vor allem eine deutlich besser ausgestattete Polizei und Justiz — personell und materiell — und schon hieran scheitert es.
Dass Recht durchgesetzt werden kann, zeigt übrigens gerade Renate Künast. Hier wurden Geldstrafen von 10.000 und 3.000 Euro verhängt, gegen die allerdings noch Berufung eingelegt werden kann.
Der Identifizierungszwang für Gamer hat das Zeug zum Desaster — netzpolitik.org — netzpolitik.org
Wie diese Schreckensszenarien, die ich bzw. wir versuchen ständig auf zu zeigen, dann aussehen, wenn sie passieren, kann man gerade in Israel sehen. Da bekommen Parteien die Daten von allen(!) Wahlberechtigten, dürfen aber keinen Quatsch mit denen machen und müssen sie nach der Wahl wieder löschen. Liest sich so schon haarsträubend, aber nun gut. In Israel wird demnächst das dritte Mal innerhalb eines Jahres gewählt und der Likud, die Partei von Regierungschef Netanyahu hat all diese Daten von 6,4 Millionen in eine App geladen, deren Admin-Zugänge offen im Quelltext angegeben waren und so war der Zugriff auf diese Daten ein Leichtes. Wer und ob jemand die Daten runter geladen hat und was die Kriminellen damit anstellen werden — wir werden es sehen….
Israel: Haarsträubender Fehler stellt Daten aller Wahlberechtigten bloß | heise online — www.heise.de
“The issue is how much we miss when we restrict our focus to those who actively set out to do harm online. People who care deeply about the environment can pollute as well, even when they’re just living their lives. Even when they’re just trying to help.” — Bei der Verbreitung von Falsch- und Desinformation interessieren uns vor allem die Täter:innen, also die, die diese “Informationen” in die Welt setzen. Ein viel größeres Risiko sind aber die, die diese “Informationen” durch a) Unwissenheit verbreiten, oder b) auf die Falsch- bzw. Desinformation aufmerksam machen wollen, bzw. sie debunken wollen und damit zur Verbreitung beitragen. Wir unterschätzen dabei viel zu sehr unserer Followerschaft — abgesehen davon, dass wir gar nicht alle kennen in den meisten Fällen. Ich habe bereits vor einigen Ausgaben einen Artikel geteilt, der genau dieses Problem beschreibt, dass Menschen irgendwann diese Desinformation doch glauben oder anfangen zu zweifeln und Nachforschungen anstellen, die sie dann im schlimmsten Fall in die Arme von Verschwörungstheoretiker:innen und Rechten treiben kann. Das heißt, wie alle, als Nutzer:innen von Plattformen müssen — übrigens ebenso wie Medienschaffende — dringend darüber reflektieren was wir teilen und ob wir wirklich etwas teilen sollten. Denn während schon oft drauf geachtet wird, Menschen nicht noch mehr Reichweite zu verschaffen und stattdessen Screenshots von zum Beispiel Tweets zu verbreiten, wird so die Falsch- oder Desinformation dennoch verbreitet. Schweigen kann hier sehr häufig die bessere Wahl sein.
You May Not Even Know You’re Spreading Lies | WIRED — www.wired.com
The Online Ecosystem of the German Far-Right — so heißt eine neue Studie, die auf Englisch erschienen ist und die sich das Social Media Watchblog angesehen hat (deren Newsletter ich übrigens dringend empfehle — geht auch über Steady). In diesem kurzen Artikel haben sie die wichtigsten und überraschendsten Erkenntnisse zusammen gestellt, sowie die Empfehlungen der Forscher:innen.
Von Telegram bis 4chan: Wo sich Rechtsextreme vernetzen — socialmediawatchblog.de
Weil gerade wieder Gutachten zu Social Bots veröffentlicht werden — gut, dass ich es die letzten beiden Ausgaben vergessen habe hier rein zu packen, jetzt passt es um so besser. Michael Kreil, Datenjournalist, widerlegt die ganzen Social-Bot-Mythen. Wie es sich gehört, mit den Daten, auf denen seine Erkenntnisse basieren. Sein Tl;dr: “‘Social bots have influenced elections.’ Does it sound plausible? Yes. Is it scientifically founded? Not at all. Many mistakes were made in the research and a lack of review allowed an unfounded theory to spread around the world.”
Wie das mit der Manipulation von Wahlen und Wähler:innen so funktioniert, zeigt dieser longread: The Billion-Dollar Disinformation Campaign to Reelect the President. Ich finde den Text zwar ein bisschen sehr zäh, aber er zeigt, was so alles getan und investiert wird.
Lecture Notes | The Army that Never Existed: The Failure of Social Bots Research — michaelkreil.github.io
“Die demokratische Qualität einer Gesellschaft macht sich auch daran fest, wie sie mit ihren Minderheiten umgeht, ob die sich aufgehoben und sicher fühlen können — oder ob sie Angst haben.” — Ruprecht Polenz mit einem ganz tollen Interview in der Republik zum Konservatismus. Übrigens genau wie Sascha Lobo sagt er, dass es insbesondere auf ihn — und die Liberalen — bei der Abgrenzung zu Rechtsextremisten ankommt. Lobo ergänzt auch: “Auf diese Leute [die Konservativen] kommt es an. Denn eine der größten Fehleinschätzungen der Linken besteht in der Annahme, alle anderen müssten bloß linker werden, dann sei das Problem mit den Rechten gelöst.” Liberale und Konservative müssen klare liberale und konservative Positionen und Visionen für die Zukunft schaffen, denn dafür wählen sie die Wähler:innen, bzw. sollten sie wählen. Sie tun es auch, wie Polenz sagt, mit der Erwartung, dass sie im Falle der CDU konservative Politik bekommen und eine klare Abgrenzung von der AfD. Findet diese Abgrenzung nicht statt, werden die Konservativen (und analog die Liberalen) Wähler:innen verlieren, statt irgendwen zurück zu gewinnen. Auch Dieter Schnaas bringt es für die Wirtschafts Woche ziemlich deutlich auf den Punkt:
Was CDU und FDP eint: Am Ende ihrer symmetrischen Mobilisierung gegen Linksgrüne und Rechtsnationale stehen plötzlich Landtagsabgeordnete der CDU und FDP in Thüringen, die keinen Sinn mehr entwickeln können für das, was konservativ und bürgerlich, liberal und christdemokratisch ist — und die vor lauter Ressentiment gegen klimahysterische „Gutmenschen“ und deren angeblichen Enteignungsfantasien auch den Beifall rechtsradikaler Bösmenschen in Kauf nehmen. Die CDU hat aus Angst vor dem Verlust ihres „konservativen Kerns“ ihr Bewusstsein fürs Konservative verloren. Und die FDP hat aus Angst vor der schieren Übermacht vegetarischer und radfahrender Liberaler keine Ahnung mehr, was sie unter Freiheit verstehen soll.
Liberale und Konservative brauchen dringend eine eigene, zukunftsfähige Vision ihrer Politik für die Gesellschaft. Sie pauschal zu verdammen und “Links” als einzig richtigen Weg zu propagieren, wird uns nicht vor den Rechtsextremisten retten — eher im Gegenteil. Lasst uns also unter Demokraten um die besten Lösungen streiten und die AfD gemeinsam radikal ausgrenzen.
«Die Faschisten sind nur dort an die Macht gekommen, wo die Konservativen ihnen die Plattform geboten haben» — Republik — www.republik.ch
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WHAT TO WATCH
Spannende Netflix-Doku über ein chinesisches Glasbau-Unternehmen, das eine Fabrik in den USA eröffnet — in einer Stadt, in der mehrere tausend Menschen arbeitslos wurden, weil General Motors ging. Ein clash of civilizations wenn amerikanische und chinesische Arbeitsmoral und Arbeitsschutzgesetze aufeinander treffen.
WHERE TO GO
Körber Debate: Soll Deutschland Cyberangriffe durchführen dürfen? — Körber-Stiftung — www.koerber-stiftung.de
Hamburg, I’m coming for ya! Am19.2.2020 diskutiere ich mit Martin Schallbruch darüber, ob Deutschland Cyberangriffe durchführen sollen dürfen.Anmeldung jetzt möglich!
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Am 25. Februar 2020 stellt die Initiative D21 u.a. ihren neuen D21-Digital-Index 2019 / 2020 vor!
WHAT TO READ
Neuster Irrsinn beim Leistungsschutzrecht: Verleger wollen, dass maximal drei(!) Wörter lizenzfrei sind.
“A safer way to argue against facial recognition is based on moral arguments, not empirical ones.” — Technik kann und wird besser werden. Wollen wir selbst dann wirklich Gesichtserkennung im öffentlichen Raum? I doubt it.
Selber noch nicht gelesen, aber die Paper der Stiftung Neue Verantwortung geben immer neue Impulse, daher auch blind die Empfehlung der neusten Publikation: Designing Data Trusts. Why We Need to Test Consumer Data Trusts Now.
This Person does not exist — eine künstliche Intelligenz generiert Fotos von Menschen, die nicht existieren.
Why procrastination is about managing emotions, not time.
Fragt Eure Liebsten häufiger mal, wie es ihnen geht — und hört zu.
„Nicht die Frauen, die Strukturen müssen sich ändern“ u.a. Ricarda Lang und Gyde Jensen über Frauen in der Politik
The Nordic secret for prosperity? Bildung! “Bildung is the way that the individual matures and takes upon him or herself ever bigger personal responsibility towards family, friends, fellow citizens, society, humanity, our globe, and the global heritage of our species, while enjoying ever bigger personal, moral and existential freedoms.”
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