Von Influencern, Regulierung und Schulen, die nicht mehr vorrangig Wissen vermitteln sollten —…
So, mein Vorhaben mit ein bisschen räumlichen Abstand etwas produktiver und konzentrierter zu arbeiten hat ganz gut geklappt. Der…
So, mein Vorhaben mit ein bisschen räumlichen Abstand etwas produktiver und konzentrierter zu arbeiten hat ganz gut geklappt. Der Newsletter ist wieder in Deinem Postfach (oder zum ersten Mal, dann hi 😊), ich habe gebloggt und bin nun auf Medium zu finden (natürlich zu Rezo und politischer Kommunikation), habe endlich meine ganz eigene Webseite erstellt, damit auch meine berufliche neu gemacht und beides sauberer getrennt. Ich habe meinen ersten Video-Vortrag mit Präsentation über “Data Economics & Innovation. Chance or Concern?” für die Friedrich-Naumann-Stiftung gehalten (ich liebe diese Digitalisierung!), habe das erste Mal einen Berg bestiegen (und lebe nachweislich noch, Bild unten) und bin wieder mal zu der Erkenntnis gekommen, dass man echt nicht so viele Klamotten und Gesichtsmasken mitnehmen muss und es vor allem utopisch ist, zehn Sachbücher und vier Romane zu lesen (ja, ich habe die natürlich als gedrucktes Buch dabei — hier hörts mit der Digitalisierung auf!). Irgendwann setzen sich diese Erkenntnis vielleicht auch mal in angepasstes Handeln um — die Hoffnung stirbt zuletzt 🙏🏼
Viel Spaß nun beim Lesen und danach in der Sonne ☀️
Ann Cathrin
Wahnsinnig viel wurde die letzte Woche nun über Rezo, Social Media, Regulierung und Influencer im Allgemeinen geschrieben. Ich versuche mal ein bisschen zu sortieren und einen kleinen Überblick über meiner Meinung nach interessante Beiträge zu liefern. Für einen kurzen und kurzweiligen Überblick eignet sich wiedermal Sascha Lobos Kolumne, nach der man aber auch weinen möchte (auch das ist eigentlich Standard bei seinen präzisen Analysen). Bei LTO ist ein Interview erschienen, das nochmal aufzeigt, dass YouTuber:innen natürlich eine Meinung haben dürfen und diese nicht reguliert werden muss und vor allem darf. Ruprecht Polenz hat in diesem Interview abermals gezeigt, dass zu verstehen, wie man mit Social Media und Kritik dort umgehen sollte, keine Frage des Alters ist. Auch Doro Bär zeigt in diesem Interview, dass Parteien, auch ihre eigene, dringend raus müssen aus ihrer eigenen Filterbubble. Und der Kommentar von Diana Kinnert zeigt, dass es sehr kluge inhaltliche Lösungen gäbe, die zur CDU passen würden, wenn man denn wollen würde.
Unbedingt lesen solltet Ihr aber den Text von Thomas Knüwer, der wunderbar aufdröselt, wo die (kommunikativen) Probleme bei allen(!) Parteien und vielen klassischen Journalist:innen und Medienhäusern liegen. Dazu passt auch, wie mit Rezos Statement zur Diskussion um sein Video umgegangen wird. Er sagte, dass man nicht mit ihm reden brauche, denn es gehe darum, dass die Politik inhaltlich etwas tut. Er sei nur Übermittler der Botschaft von Expertinnen und Wissenschaftlern. Aber anstatt sich endlich inhaltlich über die Klimakrise zu äußern, kommen Vorwürfe aus der Politik, Rezo müsse nun aber mit ihnen reden. Wieder nichts verstanden. Aber zurück zum unten stehenden Text. Neben dem mehrfachen inhaltlichen Versagen bei Themen wie #FridaysForFuture oder der EU-Urheberrechtsreform, haben Parteien (alle) und Journalist:innen und Medienhäuser auch auf mehreren Meta-Ebenen vollständig versagt. Anstatt sich auf (digitale) Änderungen einzulassen, werden diese beschimpft und bekämpft:
Denn es geht hier ja nicht allein um eine Änderung der Kommunikationsstrategie. Der Umgang mit dem Internet verrät sehr viel über das Menschenbild einer Person. Glaubt er, die Äußerungen anderer im Social Web seien Müll, fragt er, mit welchem Recht, andere überhaupt etwas veröffentlichen dürfen, will sie diese Äußerungen gar verbieten, so zeugt dies davon, dass er oder sie die allermeisten Menschen für dumm und/oder böswillig hält.
Genau diese Haltung sehen wir derzeit bei Politikern und Journalisten. Man kann solch ein Denken nicht einfach mit dem Schalter umlegen. Es ist ein zu langer Prozess, der vor zu langer Zeit hätte eingeleitet werden müssen.
Das alles ist übrigens symptomatisch und passt zum Tweet von Karolin Schwarz oben. Anstatt sich mit neuen Formen der Kommunikation (und Desinformation) gründlich auseinander zu setzen, kommen sofort Rufe nach Regulierung. Regulierung braucht es sicherlich, aber bisher kommen selten durchdachte Vorschläge. Das haben wir bei den Social Bots gesehen, das sehen wir jetzt bei Vorstellungen davon, YouTuber:innen zu regulieren bzw. die Diskussion zum Anlass für weitere Befugnisse für Medienanstalten zu nehmen (Thread von Simon Assion).
Die Unterschätzung des digitalen Raumes durch Politik und Medien — Indiskretion Ehrensache — www.indiskretionehrensache.de
Wie sehr Parteien in der politischen Kommunikation und vor allem dem Austausch und Dialog auf den sozialen Netzwerken scheitern, das hat Philipp Jessen in einem Gastbeitrag geschrieben und auch nochmal betont, dass es nicht sein kann, dass Social Media heute in Presseclippings für alle(!) Führungskräfte — ob in Politik oder in Verbänden und Unternehmen — überhaupt nicht beachtet werden. Dabei wäre das nicht nur wichtig, weil die Reichweiten Einzelner größer sind, als die von Medienhäusern. Eigentlich müsste man das schon längst wissen. Ebenso wie man von der Präsenz und Bedeutung von Influencern hätte wissen können und müssen. Wie sehr dies alles unter dem Radar der Politik lief, aber schon längst ein enorm erfolgreicher Bestandteil beim Marketing von Unternehmen ist, haben Hendrik Wieduwilt und Jonas Jansen hier in der FAZ gezeigt.
Influencer funktionieren sehr gut in der politischen Kommunikation, oftmals besser als klassische Online-Werbung. Das konnte ich auch schon mit meinen Kunden ausprobieren. Was dabei viele nicht beachten — auch das wird auch im FAZ-Artikel angesprochen — ist die Authentizität und damit die Community von Influencern. Zu oft wird nur auf die Anzahl der Follower geachtet. Die bloße Anzahl an Followern oder Likes ist eine KPI, die zu oft fälschlicherweise als Erfolgsfaktor herangezogen wird und ich sehne mich nach dem Tag, an dem diese Illusion endlich aus den Köpfen verschwindet. Der langfristige und nachhaltige Aufbau zu Influencern und (eigenen) Communitys ist immens wichtig, wenn es um die (politische) digitale Kommunikation geht — aber auch das ist bei kaum jemanden auf dem Schirm. Bestes Beispiel für die Irrelevanz von (alleinig) Follower-Zahlen, zeigt dieses Beispiel einer Instagrammerin, die ihre T-Shirts trotz Millionen an Followern nicht verkauft bekommt (und es sind bloß 36 Stück). Für Kooperationen mit Influencern braucht es enorm viel Vertrauen — auf beiden Seiten. Dafür sind aber vor allem politische Akteure noch nicht wirklich bereit. Dabei kann solch eine Kooperation mit dem richtigen Konzept durchaus gelingen. Worüber übrigens viel zu wenig gesprochen wird, ist der immense wirtschaftliche Schaden durch Fake-Accounts und Fake-Likes und -Kommentare auf Instagram 😉
Vor der Europawahl haben sich viele Influencer politisch geäußert — meist in Form einer einfachen Aufforderung zur Europawahl zu gehen und um über die Wichtigkeit von Europa aufzuklären. Auch sie haben meiner Meinung nach erheblich dazu beigetragen, dass junge Menschen wählen gehen und auch sie haben sich vornehmlich gegen die Politik der GroKo wegen #FridaysForFuture und #Artikel13 gestellt, wenn sie sich denn konkret politisch geäußert haben, Übrigens hauptsächlich ganz authentisch ohne EU-Hoodie (den müssen wir jetzt nicht mehr sehen, oder? 🙏🏼)
Noch lesenswert zum Themenkomplex Influencer: der Gender-Divide. Frauen werden “Influencer” genannt, Männer eher “Content Creator”. Dieser Wired-Artikel zeigt, was das für einen Unterschied in der Bewertung der Arbeit ist, aber auch, wie Geschlechter-Perspektiven die Forschung (nicht nur hier) schlechter machen.
Und die nächste Generation macht schon eine ganz andere Kommunikation. TikTok ist das nächste Instagram und ich frage mich, wie wir alle diese chinesische Plattform händeln werden.
Warum Politik Social Media nicht versteht — Tagesspiegel Background — background.tagesspiegel.de
“Regulation is never simple. Nor is protecting the press at a time when journalists are under threat. But history can help us avoid the worst pitfalls.” Als in der Weimarer Republik das Radio aufkam, das Senden auch für private Anbieter möglich wurde und die öffentlichen Diskussionen immer politischer wurden, entschloss man sich, regulatorisch einzugreifen und Inhalte staatlich zu kontrollieren. Hört sich vertraut an, oder? Wie ich schon öfter sagte: wir brauchen eine Regulierung von (Social Media) Plattformen, aber eine gute. Wir brauchen vor allem eine globale und nicht eine einzelner Länder. Denn wie dieser Artikel aus dem Guardian so schön sagt: “It’s as if governments around the world are addressing individual weather systems as they hit and do harm. But no one is considering the dangers of climate change.”. Die Regulierung dieser Konzerne, allen voran Facebook sei vermutlich die größte Herausforderung der Menschheit.
Auch dieser Kommentar in der New York Times weist nochmal daraufhin, wie wichtig es wäre, das Kartellrecht gegen Facebook anzuwenden und den Konzern zu zerschlagen. Facebook warb einst damit, einen Privacy-Vorteil gegen über MySpace zu haben. Und auch wenn das Unternehmen heute wieder meint, seinen Fokus aufs Private (aber eben nicht Privacy 😉) legen zu wollen, ist doch nichts mehr vom einstigen “Vorteil” vorhanden. Erst recht nicht nach den Einkäufen von Instagram und WhatsApp. Und auch das Löschen und Abmelden von diesen Plattformen entlässt einen nicht aus der Datensammelwut des Konzerns — man hat nun nur keine Möglichkeiten mehr irgendwas zu steuern und abzufragen.
Der Artikel aus dem Atlantic schließt daher mit der richtigen Aufforderung: “It is time for politicians to take the regulation of social media seriously. In the long run, however, they must be careful not to undermine the freedoms and the political system that they seek to protect.”
What Can Prewar Germany Teach Us About Social-Media Regulation? — The Atlantic — www.theatlantic.com
Apple gilt eigentlich als viel Privacy-freundlicher als Google. Und doch lässt Apple es zu, dass Apps Daten “nach Hause schicken”, ohne dass Nutzer:innen dies bemerken. Zum Beispiel über ihr Nutzungsverhalten. Dieses Senden der Informationen braucht nicht nur Energie des Akkus, wir wissen häufig auch gar nichts von den Daten, die dort versendet werden. Selbstbestimmt entscheiden, ob man möchte, dass solche Daten über einen gesammelt werden, ist so gar nicht möglich. Es ist noch weniger möglich, wenn in den Datenschutzerklärungen nur von “Third Parties” gesprochen wird, ohne diese zu nennen. Wie aufwändig ist es, dann auch noch diese zu lesen und nicht nur zu verstehen, sondern auch die Zusammenhänge zu erkennen — unmöglich. Das selbstbestimmte Handeln bei diesem Thema — eine absolute Illusion.
Wolfie Christi hat hier in einem Twitter-Thread gezeigt, dass die Webseite der Kleinen Zeitung 600(!) Cookies platziert. Das zeigt nochmal deutlich, dass es nicht möglich ist, Webseiten zu besuchen (von allen anderen vernetzten Dingen mal ganz abgesehen) und eine selbstbestimmte, aufgeklärte Entscheidung über die Verwendung der eigenen Daten zu treffen. Das OK beim Cookie-Banner hilft da gar nichts Das Traurige ist dabei, dass sich dieses Tracking für Publisher und sonstige Unternehmen gar nicht lohnt. Verkäufe steigen nicht. Es ist neben der Privacy-Violation auch noch rausgeschmissenes Geld. Mir wird seit über vier Wochen aggressiv eine Sonnenbrille auf allen Kanälen angepriesen, die ich schon längst trage. Die Technik scheint offensichtlich absolut nicht ausgereift zu sein (und übrigens, ich kaufte sie wegen einer Influencerin. Diese Bannerwerbung animiert mich nie zum Kauf).
Apple promises privacy, but iPhone apps share your data with trackers, ad companies and research firms — The Washington Post — www.washingtonpost.com
Wenn wir über digitale Bildung sprechen, sprechen wir — wie beim Digital-Pakt — viel zu häufig über Infrastruktur an Schulen: WLAN und iPads. Dass es das auch braucht, ist unumstritten. Aber iPads, auf denen dann das Arbeitsblatt als PDF zu finden ist, ist nicht das, was digitale Bildung sein sollte. Marina Weisband bringt mit ihrem Projekt “Aula” nicht nur digitale Bildung, sondern auch Demokratie-Unterricht an Schulen.
Bei einer Pilotschule in Freiburg haben die Schüler ein Crowdsourcing gemacht und Schulregeln entwickelt. Eine Regel war: Wir wollen einen Smartphone-Tag machen — an dem alle Lehrer und Lehrerinnen ihren Unterricht mit Smartphones machen müssen. Dazu hat ein Lehrer über Twitter bundesweit Ideen eingesammelt. Der Sportlehrer hat dann Sprünge filmen lassen und die Schüler haben in der Zeitlupe ihre eigenen Bewegungen analysiert. Der Musiklehrer hat eigene Musik produzieren lassen. Es war eine ziemlich coole Erfahrung für Lehrer und Schüler. Digitalisierung ist etwas, das sehr gut bottom up funktioniert — unser Schulsystem funktioniert aber im Moment top down. Mit „Aula“ kommen wir von außen in ein autoritäres System und sagen: Wir bringen hier Demokratie rein. Und die Digitalisierung folgt der Demokratie dann auf dem Fuß.
In dem Interview spricht sie auch darüber, dass sich unser Verhältnis zu Arbeit und lebenslangem Lernen dringend ändern muss. Dass Kinder nicht mehr “Wissen” in Schulen lernen müssen, denn das wird in einer digitalisierten Welt zum handelbaren Gut — immer und überall verfügbar. Viel wichtiger seien Fähigkeiten wie kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration und Persönlichkeitsentwicklung. Für das alles muss sich aber auch die Ausbildung von Lehrer:innen dringend ändern.
Marina Weisband im Tagesspiegel-Interview: „Lernen, was es noch nicht gibt” — Panorama — Gesellschaft — Tagesspiegel — www.tagesspiegel.de
BOTTOM OF THE LETTER
“Wir und KI — German Angst oder Innovation?” — am 14. Juni laden die Friedrich-Naumann-Stiftung und LOAD zur Fishbowl-Diskussion in Berlin ein. Ich diskutiere mit Lena-Sophie Müller, Bernd Schlömer und Prof. Thomas Gil.
Was ist YouTube? Plattform für Musik, Gaming, oder doch für Influencer? Die Plattform wird gerade keinem mehr so richtig gerecht.
Mehrere Konzerne haben sich gegen ein Vorhaben gewandt, das Verschlüsselung schwächen soll.
Seehofers nächster Coup: Überwachung von Medien.
Doro Bär in einem Gastbeitrag über die Bedeutung von Open Government.
Wie ist es in einem digitalen Staat zu leben? Ein Bericht über Dänemark.
“DIY Facial Recognition for Porn Is a Dystopian Disaster” — Frauen sind wieder mal unter den ersten Opfern des Missbrauchs neuer Technologien.
Regulierung: wir schützen Kinder und Jugendliche durch diverse Auflagen vor Gewalt, Drogen, Alkohol, usw. — zum Glück! Aber warum schützen wir sie nicht vor Zeitschriften, die unsere Körperbilder nachhaltig zertrümmern?
Befreit die Freiheit! Mein Verständnis von Liberalismus wurde mal wieder in Worte gefasst.
“Warum wird statt „mehr Staat“ nicht mal „besserer Staat“ gefordert?” Über die Jungen und ihr Wunsch nach einem starken Staat.
Über das Dasein eines digitalen Nomaden.