Menschenrechte per Twitterbot – #101
Twitters Vorhaben, den Zugang zur API kostenpflichtig zu machen, bringt UN-Hochkommissare auf den Plan. Und sollten wir überhaupt noch analoge Zugänge für Verwaltungsdienstleistungen haben?
Es sind viele neue Leute dabei! Willkommen! Das freut mich mindestens so sehr wie dass sich die Sonne endlich mal wieder in Berlin blicken lässt – auch wenn sie sich noch ab und an mit absolut grauen und nicht hell werdenden Tagen abwechselt.
Ich habe die letzten Tage ein neues Policy Paper fertiggestellt, dass ich bald veröffentlichen werde. Es wird um Geopolitik und Digitalpolitik gehen und ich freue mich schon sehr auf Rückmeldungen dazu. Ich will damit ein bisschen Diskussion für ein meiner Meinung nach zu wenig in Deutschland besprochenes Thema anzetteln. Ich gebe Euch natürlich Bescheid, sobald es veröffentlicht ist!
Ansonsten gibt es für diesen Newsletter jetzt auch eine Paid-Version (wer mich bei Steady unterstützt, kann dort gerne bleiben, das hat keinen Einfluss. Danke auch nochmal an dieser Stelle für die Treue ❤️)
Hier kann man sich dafür anmelden:
Falls Ihr noch ein anderes Medium oder gerne auch nur ein anderes Medium unterstützen wollt: Das Iran Journal ist das einzige unabhängige deutschsprachige Medium zu Iran. Es hat keine Finanzierung mehr und ist jetzt aufs Crowdfunding angewiesen. Dort schreiben wirklich großartige Menschen, die gerade jetzt unsere Unterstützung brauchen. Hier geht es zu Steady!
Genießt die Sonne!
Ann Cathrin 🦩
Your favorite Twitter bot might die next week
Elon Musk wollte Twitter unter anderem kaufen, um etwas gegen die leidigen Bots zu tun. Bots, Bots, Bots. Immer DAS Problem, wenn es um Probleme auf Twitter geht. Sie manipulieren vor allem Meinungen, wird gerne behauptet. Gesehen wurden solche KI-gesteuerten Bots bislang noch nicht. Meist entpuppen sie sich als Menschen. Wenn Forscher:innen mal wieder behaupten, sie hätten solche meinungsmanipulierenden Bots entdeckt, rücken sie mit den Datensätzen nicht raus. Gerne unter dem Vorwand “Datenschutz!!1!1!”, dabei gilt der gar nicht für Bots 🤖
Nun gibts aber schon Bots, die mit automatisierten Inhalten manipulieren. Indem sie zum Beispiel Hashtags in die Trends verhelfen und Leute denken, da reden wirklich viele Menschen drüber und dann geben sie auch ihren Senf dazu und schwups ist ein Thema gesetzt, das schon wieder den Diskurs verzerrt. Aber auch das machen meistens Menschen, und zwar ganz bewusst. Bots eigenen sich viel mehr, um Spam zu verbreiten. Zum Beispiel, um den Kauf von irgendwelchen Turnschuhen zu provozieren. Überwiegend sind hinter Manipulationen und Spam eher finanzielle Gründe. Leute wollen Kasse machen. Das wollten ja auch die jungen Herren aus Südosteuropa, die Fake-News-Webseiten erstellten. Denen ging es vorrangig gar nicht um Meinungsmanipulation, sondern um Klicks und damit Werbeeinnahmen.
Aber zurück zu den Bots auf Twitter. Damit man so einen bauen kann, braucht man eine API. Den Zugang dazu will Musk nun kostenpflichtig machen. Na und, mag sich da manch einer fragen. So Bots sind nicht nur nervig, sie sind auch gerne mal recht witzig mit ihren Inhalten. Oder süß (Katzenbilder!). Oftmals aber auch hilfreich, wenn zum Beispiel die ALT-Texte für Blinde gefunden werden oder ein Bot Geo-Daten in Erdbebenwarnungen umwandelt. Größtenteils werden diese Bots von Freiwilligen betrieben (digitales Ehrenamt!), ohne, dass sie dafür Geld bekommen. Sie machen es einfach aus Spaß an der Freude. Wenn der Zugang zur API jetzt ein paar Dollar im Monat kostet, ist das für viele kein Hobby mehr. Und: Fünf Dollar im globalen Norden sind das eine. Im globalen Süden was anderes. Solche Bots sind sogar so essentiell, dass sich selbst der UN Hochkommissar für Menschenrechte an Elon Musk gewandt hat. Sie ermöglichen vielen Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Information.
Twitter war eigentlich immer eine recht offene Plattform. War es nicht sogar Musk, der Twitter Open Source machen wollte? Indessen vergisst er, was Twitter groß gemacht hat – nämlich genau dieser offene Zugang und die Bots. Sein es die für Spaß oder lebenswichtige Informationen. Gegen die manipulierenden und Fake Accounts kann man auch anders vorgehen (und böswillige wird der Betrag eh nicht abhalten).
Diese Verwaltungsdigitalisierung ist ja so eine Sache. Seit Jahren kommt man damit nicht wirklich zu Potte. Alle wollen alles digital – oder? Manchmal frage ich mich das schon sehr. Ich habe hier nochmal einen Gastbeitrag aus der FAZ rausgekramt, wo ich die meiner Meinung nach entscheidenden Stellen markierte: Die mangelnde Digitalisierung liegt nicht bei den für die Digitalisierung Verantwortlichen, sondern bei den fachlich Verantwortlichen.
Manchmal wundert es mich dann aber doch, wenn immer wieder Forderungen nach “XY muss aber doch noch analog angeboten werden”. Ich war auch mal der Meinung, bin aber mittlerweile so weit, dass ich sage: nein, nur noch digital. Analog nur noch als absolute Ausnahme. Warum? Weil wir sonst wirklich nicht vorankommen. Ich will es kurz an zwei Punkten erläutern:
Wenn Bürger:innen nicht dazu – ich will es so dreist sagen – genötigt werden, digitale Tools zu nutzen, dann kommen in Verwaltungen immer zwei verschiedene Formate an. Und das noch eine ganze Weile. Das macht noch mehr Arbeit und wie die mit dem gravierenden Personalmangel zu bewältigen sein soll, ist mir schleierhaft. Dafür müssen die Anwendungen aber deutlich(!!) nutzerfreundlicher werden. Oftmals sind sie nämlich eine Katastrophe und schreckliche Papierformulare sind meist digital ein schreckliches Formular, dass auch digitalaffine mit Uni-Abschluss überfordert da sitzen lässt.
Alte Leute können mit Technologie umgehen. Für mich schwingt bei dem Argument, dass man ja an die Älteren denken müsse immer so ein “die sind unfähig es zu lernen” mit und dem verweigere ich mich. Ich glaube, dass sie es lernen können – und auch wollen! Dafür braucht es eben eine bessere Nutzeroptimierung. Denn wenn ich mit 35 schon verzweifle, ist es ganz klar, dass es jemand mit 80 auch nicht hinbekommt. Ob man mit 80 das schreckliche Behördendeutsch besser versteht, als mit 35 mag ich auch bezweifeln. Und natürlich – dann muss es Anlaufstellen für Menschen geben, die Unterstützung brauchen. Die brauchen Sie wahrscheinlich auch, um mit den Enkelkindern souverän kommunizieren zu können. Oder sie brauchen Terminals in Bürgerämtern. Dort sind dann hoffentlich auch Mitarbeiter:innen, die sich wegen der optimierten Prozesse auch endlich mehr Zeit nehmen können – eben auch für einen Schnack gegen die Einsamkeit.
Nun aber zum Aufhänger, warum ich dieses Thema heute gewählt habe: Die 200 Euro Energiegeld für Student:innen. Viel zu spät (und meiner Meinung nach viel zu wenig – warum bekommen Rentner:innen 200 Euro?!) – aber darum soll es hier nicht gehen.
Das Problem bei der Pauschale für die Student:innen ist, dass es keine Stelle gibt, die ihre Bankverbindung und Immatrikulationsbescheinigung hat, sodass man die Gelder auszahlen kann. Die Rentenkasse hat diese Information. Also muss man diese Daten erst zusammenführen. Das BMBF hat dazu das Digitalministerium in Sachsen-Anhalt beauftragt, das sich eh schon mit dem Feld “Bildung” beim Onlinezugangsgesetz beschäftigt. Das hat nun ein Portal erstellt (wird oben hinter dem Link erklärt), bei dem man als Student:in dann seine Pauschale beantragen kann. Alles soll später automatisiert funktionieren – und digital. Zur Verifikation braucht man dann eine BundID. Schon mal gehört? Ich hab da auch noch kein Konto – aber auch noch keine der wenigen bisher angeschlossenen Leistungen, wie zum Beispiel das Elterngeld digital benötigt. Langfristig soll das aber das Portal sein, mit dem ich künftig Verwaltungsleistungen beantragen kann und auch mit meiner Behörde kommunizieren kann – über ein sicheres Postfach.
Nun las ich auf Twitter, dass sich viele darüber aufregen, dass das alles zu umständlich sei. Zugegeben, ist das alles auch ein bisschen am Anfang. Man braucht entweder ein Elster-Zertifikat oder seine eID auf dem Personalausweis. Aber wer nutzt die schon und hat die PIN parat? Ich habe meine zufällig beim Aufräumen letztens gefunden und endlich mal aktiviert – nach fünf Jahren! Ich brauche die für nichts…
Aber: Wenn es dann irgendwann mal mehr wird mit der digitalen Verwaltung – und ich bin da hoffnungsvoll – dann brauchen wir dieses Nutzerkonto BundID. Daher ist es gut, dass da jetzt die ersten hingedrängt werden sich eines zu besorgen. Bei der Aufregung darum frage ich mich schon: was glaubt ihr wohl, wie es denn in Zukunft bei digitalen Verwaltungsleistungen funktionieren soll und wird? Einfach nur per Button ummelden? So simpel sollte es vielleicht auch nicht gehen. Ist schließlich kein Online-Shopping. Aber bitte dennoch: nutzerfreundlich!!
Nicole Dieckmann hat zur Verwaltungsdigitalisierung einen Beitrag mit vielen bekannten Gesichtern gemacht. Endlich kommt das Thema Onlinezugangsgesetz (OZG) mehr in die Medien. Auch wenn es echt ein Clusterfuck (excuse my french) und schwer zu verstehen (und nachzuvollziehen!) ist. Im Beitrag geht es ums OZG, der den online Zugang (das ist ein digitales Formular, das man dann ausdrucken muss – es ist noch keine digitalisierte Verwaltung, he he he) für Bürger:innen gewährleisten soll. Gleiches gilt für die Bedarfe von Unternehmen, die viel häufiger mit der Verwaltung in Interaktion treten (müssen) als es eine Privatperson tun muss. Dass es da so hinterher hinkt ist ein echter Wettbewerbsnachteil und kostet enorm viel Geld.
Und sonst noch…?
Vom Begriff der “Chatkontrolle” darf man sich nicht irritieren lassen. Es geht um weitaus mehr – nämlich die Durchleuchtung aller Inhalte, auch auf der Cloud, beispielsweise. Die eh schon vorgesehenen Websperren des Entwurfs sollen jetzt nochmal verschärft werden.
Wann sind wir damit endlich durch? Ein letztes Aufbäumen der Vorratsdatenspeicherungs-Fans: Sie wollen jetzt wenigstens 14 Tage lang IP-Adressen speichern. Der Bundesjustizminister hält weiter dagegen.
“Statt über das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit zu debattieren, werden wir gerechtigkeitstheoretisch über die Konsequenzen von Wissenschaft, Journalismus und Literatur im Zeitalter ihrer technischen Produzierbarkeit streiten müssen.” Peter Dabrock über ethische Fragen bei ChatGPT und anderen künstlichen Intelligenzen.
Der Sturm aufs Kapitol der USA, der Sturm auf den brasilianischen Kongress: in beiden Fällen spielten soziale Medien eine entscheidende Rolle. Dort rotteten sich Menschen zusammen – und zwar über Plattformen hinweg. Das berücksichtigen weder die Plattformen selber, noch der Gesetzgeber. Ein neuer Text von Dr. Katja Muñoz.
Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) überlegt, ein Büro in Brüssel aufzumachen. EU-Mitgliedstaaten wollen sich dort stärker engagieren 🥳 Wenn Ihr Euch für das Thema Standards interessiert, kann ich Euch das Policy Paper “Chinas unsichtbare Macht technischer Standards” von Dr. Tim Rühlig empfehlen!
Es ist definitiv keine unnötige Spielerei: Der Weltraum hat geopolitische Bedeutung und wir beschäftigen uns zu wenig mit ihm. Die ARD hat ihm eine Doku gewidmet.
Wenn etwas zensiert wird, wird es häufig noch beliebter. So zum Beispiel eine BBC-Dokumentation über Modi, die nun in Indien nicht mehr verfügbar ist. Aber natürlich haben die Inder:innen Workarounds gefunden.
Indien ist nach China der zweitgrößte Markt für Social-Media-Plattformen. Während einige gar nicht erst in China tätig sein, sind sie es (noch) in Indien. Plattformen wie Twitter hatten sich (bis zu Musks Übernahme) noch häufig gegen dortige Zensurgesetze gerichtlich gewährt. Für Modi, der gerne das Internet abschalten lässt oder Kritiker:innen seiner nationalhinduistischen Regierung auch im Netz mundtot machen will, ist das alles ein heikles Spiel – will er sich doch als technikaffin und interessanten Technologiestandardort präsentieren.
Wenn sie TikTok verbannen, sollen sie halt Daten kaufen! Würde ein Verbot von TikTok in den USA was bringen (in Indien ist es übrigens verboten)? Nein, wird hier argumentiert, denn wegen mangelnder Datenschutzsätze könnte sich die chinesische Regierung einfach Daten bei Datenbrokern kaufen. Auch hier ein Workaround 🤡
Ich bin wieder in der Jury für den Award des Digital Autonomy Hub. Auch das Publikum – also Ihr – könnt mit abstimmen, und zwar hier.
Habe mich sehr gefreut, dass dieser Text über eine “Ordnungspolitik von morgen” auch Themen wie Plattformräte für soziale Medien aufgreift. Etwas, das Matthias Kettemann und Martin Fertmann sich einmal für uns bei der Naumann Stiftung in einem kleinen Gutachten angeguckt haben und nun ein Projekt bei der Mercator Stiftung ist, bei dem ich über das Sounding Board unterstützen darf.
Falls Du meinen Newsletter unterstützen möchtest: Für alle, die schon da sind, gibt es 20 % Rabatt ❤️
Egal wie kraeftig man die Kristallkugel poliert, bzgl Twitter und Musk kann man eigentlich nur verlieren. Hier treffen ein Kult und die Paranoia vor vermeintlich fehlender Relevanz aufeinander... Letzteres sorgt dafuer, dass viele User:innen dort bleiben, Ersteres fuer die kritiklose Abfeierei jeglicher Muskschen Veraenderung.
Nun ist aber so langsam ein Punkt erreicht dass Twitter die Features abschaltet, die es gross gemacht haben. Du hast ja hier bereits eine umfangreiche Uebersicht gegeben. Ich bezweifle ehrlich, dass dies der Plattform gut tun wird, denn letztendlich sind unter den wichtigsten Evangelisten einer digitalen Plattform, vor allen Dingen zu Beginn, haeufig viele techaffine User:innen, aber auch Entwickler:innen.
Das war nicht nur strategisch ein Fehler, sondern vor allen Dingen kommunikativ. Ich bin gespannt wie das ausgeht und froh, dass ich dort vor einigen Monaten final den Stoepsel gezogen habe.