Hello again! – #102
Ein Jahr ist es her, aber hier ist er wieder, der Newsletter zu Digitalpolitik, Demokratie und Gesellschaft!
Hallo, hallo! Du hattest einen Newsletter abonniert! Hier ist er wieder!
Ein Jahr ist die letzte Ausgabe bereits her. Danke an alle, die mich angesprochen haben und ihn vermisst haben. Ich habe ihn und Euch auch vermisst, aber die Luft war einfach raus! Herzlich willkommen auch an alle, die neu dabei sind! Ich freue mich sehr!
Da in den letzten zwölf Monaten viel passiert ist, hier ein kleines Update über mich und diesen Newsletter. Ich schreibe hier im Idealfall wöchentlich – so war zumindest mal der Plan – eine persönliche Zusammenstellung an Artikeln und Themen rund um Digitalpolitik, Demokratie und Gesellschaft. Auf der Substack-Seite findet ihr alle bisherigen Ausgaben.
Ich bin mittlerweile seit fast einem Jahr Geschäftsführerin des NExT e.V., ein Netzwerk für die Expert:innen der digitalen Transformation aus der Verwaltung für die Verwaltung. Ein Job, der mir unglaublich viel Freude bereitet und wegen dem Ihr hier wahrscheinlich etwas mehr zum Thema Verwaltungsdigitalsierung lesen werdet. Aber auch meinen bisherigen Themenfokussen, der internationalen Digitalpolitik und den Bürgerrechten werde ich weiterhin treu bleiben. Außerdem bin ich noch immer Vorsitzende von LOAD e.V. dem Verein für liberale Netzpolitik. Ich wurde gerade wieder in den Beirat vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr zur Umsetzung der Digitalstrategie Deutschlands berufen und bin ebenfalls Mitglied im Digitalrat Sachsen-Anhalt. Ich habe Islamwissenschaft und Politikwissenschaft studiert und lese sehr gerne und sehr viele Sachbücher. All das spiegelt sich auch in diesem Newsletter wider.
Ich freue mich, jetzt wieder häufiger zu schreiben, auch wenn es immer viel Zeit kostet – ich gebe mein Bestes, hier wieder eine Routine rein zu bekommen und Euch mit interessanten Inhalten zu versorgen. Ich freue mich immer über Rückmeldungen und Eure Gedanken zu meinen.
Nun viel Spaß beim Lesen!
Ann Cathrin ❤️ 🌱
Rechte Seiten heißen KI-Crawler willkommen
Aber Millionen Inhalte wurden für das Training von generativer KI gescannt. Darunter auch zahlreiche Webseiten aus dem Internet und somit auch Inhalte von News-Webseiten. Die New York Times verklagt daher OpenAI wegen der Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material, für das sie natürlich nicht bezahlt haben. Das Thema Urheberrecht und generative KI wird noch sehr spannend (und ich hoffe nicht so schrecklich in der Art und Weise wie diskutiert wird, wie bei vorherigen Diskussionen ums Urheberrecht).
Webseiten können mit einer entsprechend hinterlegten Text-Datei Webcrawlern sagen, was sie dürfen und was nicht. Dies ist eine Art “Gentlemen’s Agreement” im Internet. Ich schreibe in meine Textdatei, welche Crawler, z. B. die von Suchmaschinen, meine Seite durchsuchen und indexieren dürfen und welche nicht und die Crawler sind so eingestellt, dass sie sich dran halten. Fast alle News-Outlets der freien Presse haben mittlerweile Crawlern, die Inhalte für KI sammeln, verboten ihre Webseiten zu besuchen und zu scannen – sie halten sich auch dran. Gentlemen’s Agreement.
Wer diese Crawler aber willkommen heißt, sind rechte “News”-Portale, wie Wired berichtet. Das heißt: aktuell lernen KIs von Seiten, die Verschwörungserzählungen, Rassismus und Antisemitismus verbreiten und nicht von denen, die Qualitätsjournalismus machen. Ein Dilemma, denn natürlich geht es nicht, dass OpenAI und andere Unternehmen gratis Inhalte nutzen, mit denen sie dann ihre KIs trainieren, die sie dann verkaufen. Aber was, wenn sie einfach einen krassen rechten Bias bekommen (während Rechte mal wieder lautstark behaupten, dass KIs einen linken Bias hätten (haben sie nicht, wie auch die Algorithmen von Social Media Webseiten nie einen Ausschlag zugunsten von linken Positionen hatten – im Gegenteil). Wissenschaftler meinen zwar, dass das nicht passiere, da genügend “gutes” altes Material bereits in den KIs verarbeitet sei, aber beruhigen tut einen das nun wirklich nicht.
Deutschland hat jetzt die erste “Strategie” für Internationale Digitalpolitik
Geopolitik spielt sich auch im digitalen Raum ab – das war das Thema meines letzten Papiers für die Friedrich-Naumann-Stiftung. Die Bundesregierung hat die Bedeutung dieser Sphäre auch erkannt und nun eine Strategie für internationale Digitalpolitik verabschiedet. Und ja: Wie eigentlich alle Strategien der aktuellen Bundesregierung und ihrer Vorgänger ist das keine richtige Strategie, sondern eine Sammlung von Vorhaben und Bekenntnissen. Aber immerhin! Für LinkedIn hatte ich schon mal die für mich wichtigsten Punkte herausgeschrieben, die aber nicht vollständig sind. Denn es sind wirklich sehr viele gute Punkte bzw. Ansätze dabei:
➡️ Bekenntnis zum Schutz der Menschenrechte online und offline
➡️ Mehrfaches starkes Bekenntnis zu multilateralen Multi-Stakeholder-Foren, dem Willen, sich dort (noch) stärker zu engagieren, ebenso wie die stärkere Einbeziehung der (internationalen) Zivilgesellschaft
➡️ Politik der Abrüstung im digitalen Raum; keine Weitergabe von Überwachungstechnologien an repressive Regime (well, at least)
➡️ Entgegentreten von Netzsperren und Zensur (wird bzgl. der Beziehung zu Indien spannend)
➡️ Bekenntnis zu diversen Bündnisse, von G7, VN, FOC, DFI, usw.
➡️ Abbau des Digital Gap und Digital Gender Gap
➡️ Repräsentation von Partnerländern im Globalen Süden in Internet Governance Foren soll gefördert werden, inkl. gegenseitigem Kapazitätsaufbau
➡️ Fortentwicklung des IGF-Mandats
➡️ Nationale und internationale Förderung von Open Source-Basistechnologien
➡️ Erkennen der besonderen Rolle des Digitalen bei der Entwicklungspolitik und der Diplomatie
➡️ Förderung von Regeln zur Schaffung guter und fairer Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in einer globalisierten digitalen Wirtschaft
➡️ Bekenntnis zur strategischen Bedeutung von Standards und Normen sowie zum Multi-Stakeholder-Ansatz
➡️ Verstärktes Engagement in den Gremien der Standardisierung inkl. Einbeziehung von Mittelstand, Zivilgesellschaft und Wissenschaft
➡️ Ausbau von neuen Satelliten-Konstellationen mit Partnern
➡️ Erhöhung der Sensibilität für Risiken von Dual-Use-Nutzung durch Drittstaaten
➡️ Befürworten der Schaffung von öffentlichen digitalen Gütern
➡️ Einsatz für umwelt- und klimafreundliche Entwicklung, Produktion, Nutzung, Reparatur und Entsorgung digitaler Produkte und Dienstleistungen
Die gesamte Strategie kann man sich hier herunterladen.
Wer einzelne Themen noch vertiefen möchte, in meiner Zeit bei der FNF habe ich zwei dazu passende Papiere beauftragt: Tim Rühlig: Chinas Macht bei der Standardsetzung. Kaan Sahin: Cyberkapazitätsaufbau in Afrika.
Look up! Der Weltraum wird belächelt – dabei ist diese Dimension relevanter denn je
Iran hat erst kürzlich Satelliten ins Weltall geschickt, beim Krieg gegen die Ukraine sehen wir, welche Bedeutung der Weltraum für die Konnektivität, aber auch zur Bewertung der Lage ist. China schickt mehr und mehr Satelliten in die Erdumlaufbahn, private Akteure wie Elon Musk und sein Starlink nehmen immer mehr Platz im – ja – beschränkten Weltall ein.
Die USA haben unter Trump eine bereits lange geplante Space Force eingerichtet – was haben einige gelacht – die seither enorm wächst und immer mehr Budget bekommt. Auch, wenn sie weiterhin die kleinste Streitkraft ist. Der Systemwettbewerb spielt neben dem digitalen Raum eben auch im Weltall. Alles ist miteinander verbunden und vernetzt und keine Dimension kann mehr ohne die andere gedacht werden. Daher begrüße ich es auch sehr, dass in der Strategie zur internationalen Digitalpolitik das Thema Satelliten auch Beachtung findet. Als Europäer dürfen wir das nicht schon wieder verschlafen.
Der Economist hat sich ausführlich mit der militärischen und strategischen Bedeutung des Weltraums beschäftigt und dem Bemühen der USA dort die Vormachtstellung zu erhalten.
Pompejis Geheimnisse mit KI entdecken
Ich war in Neapel und habe einen Tagestrip nach Pompeji gemacht. Und wow! Ich kann das allen nur dringend empfehlen! Ich dachte ja, dass es dort nur ein paar der versteinerten Leichname gibt und nicht eine komplette antike Stadt, die man durchwandern kann! Es ist einfach komplett der Wahnsinn! Auch, wie viel noch richtig gut erhalten ist. Und noch immer ist nicht alles ausgegraben.
Da passte diese Entdeckung kürzlich perfekt zu meinem neuen Pompeji-Hype (ich habe mir natürlich direkt ein Buch gekauft!): Mithilfe von KI konnten jetzt Schriftrollen wenigstens ein kleines bisschen entschlüsselt werden. Warum braucht man dafür KI? Weil die Schriftrollen – man vermutet, es gibt noch tausende mehr – so zerbrechlich sind. Man hat schon seit Jahrhunderten versucht, sie aufzurollen, aber sie zerbröseln einem sofort in der Hand. Mit neuster Technik hat man sie nun gescannt und der GitHub-Gründer – der während Corona ein Fan des Alten Roms wurde – hat einen Wettbewerb ausgelobt, um die Schriftrollen lesbar zu machen.
Das ist wirklich archäologische Arbeit im 21. Jahrhundert. Auch, weil man bei den Scans erstmal herausfinden muss, was Tinte ist und was nicht, um die KI daraufhin zu trainieren. Ein Team hat nun gewonnen und mehrere Kolumnen Text entschlüsseln können.
Buchtipps
Ich habe in den vergangenen Monaten sehr viele Bücher gelesen. Wer mir auf Social Media folgt, hat wahrscheinlich die zahlreichen Empfehlungen gesehen. Hier nochmal die Besten:
Jennifer Pahlka: Recoding America. Why Government is failing in the Digital Age and how we can do better
Stephan Anpalagan: Kampf und Sehnsucht in der Mitte der Gesellschaft
Florence Gaub: Zukunft
Adrian Daub: Cancel Culture Transfer
Steffen Mau: Triggerpunkte
Anu Bradford: Digital Empires
Henry Farrell und Abraham Newman: Underground Empire. How America Weaponized the World Economy
Thomas Bauer: Warum es kein islamisches Mittelalter gab
Thomas Bauer: Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt
Anton Jäger: Hyperpolitik
Ulrich Menzel: Wendepunkte
Janka Oertel: Ende der China-Illusion
Herfried Münkler: Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert
Kate Crawford: Atlas of AI
Philipp Lepenies: Verbot und Verzicht. Politik aus dem Geiste des Unterlassens
Volker Heins: Hinter Mauern. Geschlossene Grenzen als Gefahr für die offene Gesellschaft
Joseph Croitoru: Al-Aqsa oder Tempelberg
Eva Illouz: Undemokratische Emotionen
Wilhelm Heitmeyer: Rechte Bedrohungsallianzen
Carolin Amlinger & Oliver Nachtwey: Gekränkte Freiheit. Aspekte des libertären Autoritarismus
Und sonst noch…?
Der AI Act in der EU wurde verabschiedet und nicht alle sind happy. Vor allem über den Prozess muss man echt unglücklich sein, denn auf den letzten Drücker ist noch viel geändert worden – in sehr kurzer Zeit. Um den Act zu verabschieden, hat man nicht mehr auf Verständnis und gute Policy Arbeit gesetzt. Ein Kommentar bei heise.
Formulare von Behörden, die man einfach nicht versteht? Das kostet den Staat wahrscheinlich richtig viel Geld. Denn Nachfragen müssen beantwortet werden, Fehler korrigiert werden oder Menschen reagieren einfach gar nicht auf behördliche Schreiben, weil das Nicht-Verstehen ihnen so Angst macht, dass sie gar nicht handeln. Ganze 86 Prozent der Deutschen haben Schwierigkeiten mit der Verwaltungssprache.
Durch den Digital Markets Act soll die Marktmacht einzelner Gate Keeper begrenzt werden. Das bedeutet für Messenger, dass sie ab einer gewissen Größe interoperabel sein müssen. WhatsApp fällt darunter und stellt nun vor, wie das Schreiben über den Messenger mit anderen Messengern aussehen soll. Die sicheren und datenschutztechnisch besseren Messenger wie Threema und Signal äußern weiterhin Bedenken, denn Kommunikation wird so unsicherer. Auch die Weiterentwicklung wird durch die Komplexität nun aufwändiger. Mehr bei Netzpolitik.
Generative KI soll uns super produktiv machen. Ich teste gerade ChatGPT 4 und bin auch da leider manches Mal überrascht, mit wie viel Überzeugung sie mir falsche Sachen nennt. Man muss wirklich alles nochmal gegenchecken, wenn man mit Inhalten arbeiten will und sich nicht Inspiration holen möchte oder wolkige Reden schreiben will. Der Produktivitätsgewinn durch generative KI scheint etwas aufgebauscht zu sein.
KI kann nur, was sie gelernt hat. Und ich fühle mich an meine Zeit in Tübingen erinnert, als es mir auch manchmal schwerfiel, Menschen übers Telefon mit ihrem Dialekt zu verstehen: Die digitale Sprachassistentin der Sparkasse Nürnberg versteht kein Fränkisch.
Sogar die FAZ hatte heute zwei große, Artikel und einen Leitartikel auf der Titelseite über sie: Taylor Swift. Sie ist ein künstlerisches und wirtschaftliches Phänomen und hat auch mit ihren politischen Äußerungen enormes Gewicht. Es wundert daher nicht, dass Rechtsextreme etwas gegen sie haben und Verschwörungserzählungen grassieren.
Taylor Swift ist gerade auch ein Opfer von sogenanntem “DeepP0rn”. P0rn0grafisches Material, bei dem mithilfe von künstlicher Intelligenz gegen den Willen der betroffenen Frauen (seltenst Männer) ihr Kopf auf die Körper montiert wird. Twitter konnte der Flut dieser manipulierten Videos nicht Herr werden, sodass die Suche nach “Taylor Swift” gesperrt wurde. Was kann man dagegen tun? MIT Tech Review macht drei Vorschläge – nur: Ich halte keinen davon für die ultimative Lösung. Leider. Gewalt gegen Frauen muss generell viel stärker verfolgt und dann eben auch sanktioniert werden. Daran hapert es noch zu oft – online wie offline.
Welcome back, sehr cool! Mich interessieren vor allem die Themen der internationalen Digitalpolitik und digitalen Bürgerrechte. Da ich kaum Sachbücher lese, finde ich alles Rund um deine Literaturauswahl spannend. Ich habe deinen Newsletter auch vermisst und freue mich wieder, viel zu lernen! Thank you 💛
Ich freue mich sehr über diesen Newsletter - hatte ihn vermisst!