G7, Demokratien, internationale Digitalpolitik — Issue #97
Während ich diesen Newsletter fertig schreibe, läuft die Live-Berichterstattung zum G7-Treffen in Schloss Elmau. Ich bin wirklich gespannt…
Während ich diesen Newsletter fertig schreibe, läuft die Live-Berichterstattung zum G7-Treffen in Schloss Elmau. Ich bin wirklich gespannt, was bei diesem Treffen rauskommt. Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich habe das Gefühl, dass lange kein Treffen so wichtig war. Ich mache mir immer mehr Gedanken über unsere Demokratie(n) — vielleicht fiel das schon auf — und denke, bei diesem Treffen muss es ganz besonderes um dieses grundsätzliche Thema gehen: Wie sicher, schützen und stärken wir unsere Demokratien und unterstützen Staaten auf den Weg zu einer (stärkeren) Demokratie, damit diese nicht ins Lager autoritärer Staaten abdriften. Zu dem Thema findet Ihr auch heute ganz viel in diesem Newsletter. Ich habe nämlich das Glück, dass ich mir auch nicht alleine die Gedanken darum mache, sondern u.a. auch bei meiner Arbeit mit meinen Kolleg:innen sehr viel dazu arbeite.
Ich habe auch wieder zwei Buchempfehlungen für Euch. Zwei, die mich wirklich sehr bereichert haben mit neuen Impulsen und Blickwinkeln:
Philipp Staab: Digitaler Kapitalismus. Markt und Herrschaft in der Ökonomie der Unknappheit
Mariana Mazzucato: Mission Economy. A Moonshot Guide to Changing Capitalism (werde jetzt direkt mit “The Entrepreneurial State. Debunking Public vs. Private Sector Myths” von ihr beginnen)
Ansonsten wünsche ich Euch trotz allem einen schönen Sonntag, hoffentlich am See oder im Freibad. Auszeiten sind wichtig. Wir haben viel zu tun 😉
Ann Cathrin 🥽
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WHAT TO KNOW
Ich würde nicht wollen, dass Ihr, wenn Ihr nur einen Text komplett lesen könntet, den Text von Teresa Widlok und mir lest, weil es unser Text ist. Ich würde es wollen, weil ich glaube, dass die sogenannte Chatkontrolle einfach noch mehr Aufmerksamkeit braucht und wir, glaube ich, sehr gut aufgedröselt haben, dass sie nicht nur weitaus mehr betrifft als Chats, sondern auch, dass hier jegliches Maß verloren gegangen ist.
Netzaktivisten wird vorgehalten, es gehe ihnen lediglich um die Privatsphäre und nicht um den Schutz von Kindern. Das ist unfair. Auch, weil die drei üblichen sicherheitspolitischen Narrative für beide Seiten gelten können. Das erste Narrativ: Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Das bedeutet, dass natürlich das Strafrecht gilt, aber ebenso Freiheitsrechte. Das Zweite: Was im Analogen gilt, muss auch im Digitalen gelten. Das Briefgeheimnis gilt also sowohl auf dem Postweg als auch im Internet.
Das Dritte: Sicherheitsbehörden müssen auf Augenhöhe mit Kriminellen agieren können. Anstatt also Ressourcen damit zu verschwenden, falschen Verdachtsmeldungen nachzujagen und bewegungsunfähig im Datenmüll zu ertrinken, sollten Sicherheitsbehörden präzise und effiziente digitale Hilfsmittel zur Verfügung stehen.
Unser Text erschien bereits vor ein paar Wochen im Print in der Welt am Sonntag. Online ist er natürlich ebenfalls verfügbar und kann weiterhin gerne geteilt werden:
Chatgesetz: Die EU-Kommission bedroht unsere Freiheit im Netz — WELT — www.welt.de
Die Chatkontrolle ist nicht nur abzulehnen, weil sie gegen alles, wofür wir stehen bzw. stehen wollen steht, sondern auch, weil sie uns damit in der Welt unglaubwürdig macht, wenn es darum geht, auf Rechte wie Privatsphäre zu pochen und wenn wir Überwachung verurteilen. Dabei braucht es gerade jetzt Allianzen zwischen Demokratien, um genau solche Werte im Digitalen zu verteidigen und zu festigen. Zusammen mit meinen Kolleg:innen bei der Friedrich-Naumann-Stiftung habe ich daher eine Publikation zu “Allianzen für Demokratie geschrieben.
In meinem Kapitel zu Internet Governance beschreibe ich, was in bestimmten Bereichen von einer solchen Allianz angegangen werden muss. Dabei adressiere ich:
Die physische und logische Infrastruktur,
Cybersicherheit,
die Notwendigkeit eines Free Flow of Data with Trust,
den Umgang mit Desinformation,
Digital Human Rights,
die Notwendigkeit eines Multi-Stakeholder-Ansatzes und die Weiterentwicklung des IGF,
sowie die Notwendigkeit, dass sich Nationalstaaten außenpolitische Digitalstrategien geben.
Internationale Digitalpolitik wird viel zu sehr unterschätzt. Dabei ist sie mindestens ebenso wichtig wie internationale Klimapolitik und die Sicherung der Energieversorgung. Denn lassen wir zu, dass die digitale Infrastruktur (im weitesten Sinne) nicht von Demokratien geprägt wird, werden es Autokratien wie China und Russland noch intensiver tun, als sie es bereits tun. Auf einem von Autokratien geprägten Fundament lassen sich keine liberalen Demokratien bauen, verwirklichen oder erhalten.
Außerdem findet Ihr im Impulspapier:
Johannes Vogel MdB, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP Bundestagsfraktion. Er setzt sich schon lange für eine stärkere Zusammenarbeit demokratischer Staaten ein und plädiert in seinem Beitrag für eine globale „Demokratische Allianz“ als eigene Organisation.
Michael Link MdB, Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit. Er sieht Deutschland, die Vereinigten Staaten und Kanada in einer Vorbildrolle, „um die Handlungsfähigkeit demokratischer Ordnungen und ihren umfassenden gesellschaftlichen Mehrwert weltweit sichtbar zu machen.“
Dr. Christopher Gohl. Demokratieexperte und Ombudsperson der FDP. Er fordert eine Lernende Demokratie, um neben den äußeren Feinden der Demokratie auch die inneren Bedrohungen zu adressieren.
Meine Abteilungsleiterin Dr. Michaela Lissowksy zu Menschenrechten
Mein Kollege Sven Hilgers zu Globalisierung im Systemwettbewerb
und meine Kollegin Theresa Winter zu Verteidigungs- und Sicherheitspolitik
Hier geht es direkt zum Impulspapier, unten ein einbettender Text zum aktuellen G7-Treffen.
Weiter unten in der Leseliste findet Ihr noch einige spannende Links zu Geopolitik im Digitalen. Mit dem Thema geht es auch direkt weiter.
G7 Treffen in Deutschland : Die großen Themen auf der Agenda — www.freiheit.org
Dazu passend: DIe USA und Indien nähern sich wie auch schon die EU und Indien im Bereich Digitales und Technologie etwas weiter an — bzw. sie erkennen, dass es notwendig wäre, in diesen Bereichen stärker zusammenzuarbeiten (dazu auch nochmal der Gastbeitrag von Tobias Bacherle MdB, Armand Zorn MdB und mir zu einer internationalen Digitalpolitik).
To reverse their tech trust deficit, the United States and India should pursue a so-called digital handshake to address policy differences and create institutional structures to drive progress. Both countries can take some inspiration from the European Union, which has worked separately with the United States and India to set up Trade and Technology Councils (TTCs) that provide a platform to discuss digital issues at the highest political levels. The EU-U.S. TTC concluded its second meeting last month, bringing together cabinet-level officials covering diplomacy, trade, and technology. The EU-India TTC was announced during European Commission President Ursula von der Leyen’s latest visit to New Delhi, and it will likely follow a similar format.
Zum gerade stattfindenden G7-Gipfel ist Modi (nebst anderen) ja auch dazugeladen. Ich bin gespannt, ob hier Themen in der Zusammenarbeit im Digitalen angesprochen werden.
Dazu passend: DIe USA und Indien nähern sich wie auch schon die EU und Indien im Bereich Digitales und Technologie etwas weiter an –
U.S. and India Need Digital Handshake to Step Up Tech Cooperation — foreignpolicy.com
Am gleichen Tag, an dem bei uns in Deutschland endlich §219a abgeschafft wurde (wie es weiter gehen muss, hat Maren Jasper-Winter hier aufgeschrieben — wir sind noch nicht am Ende bei dem Thema), wurde in den USA die Rechte von Frauen massiv eingeschränkt. Abtreibungen sind jetzt in einer Vielzahl von Staaten strafbar (das sind sie auch bei uns s.o., aber in den USA sind sie jetzt größtenteils gar nicht mehr möglich).
Mehrfach habe ich hier bereits darüber geschrieben, wie problematisch die Datensammlungen von diversen Apps, aber insbesondere die von einigen Menstruationsapps sind (hier von Privacy International nochmal, hier von Braodly by Vice). Die Apps verknüpfen teilweise Daten mit Datenbrokern, um persönliche Werbung einzuspielen. Außerdem tracken zahlreiche Apps Geo-Daten, mit denen man herausfinden kann, wo man sich aufgehalten hat — zum Beispiel in einer Abtreibungsklinik. Ab sofort könnte man diese Daten nutzen, um Frauen nachzuweisen, dass sie eine illegale Abtreibung vorgenommen haben. Die Daten können also sehr gefährlich werden für Frauen in diesen Staaten. Dabei ist das tracken — ob mit Papier und Stift oder mit App — so wichtig für uns Frauen und unsere Gesundheit. Wir müssen das tun! Grund genug sich jetzt nochmal mehr für einen wirklichen Datenschutz bei solchen Apps einzusetzen (es sind Gesundheitsapps!) und dass diese nicht verkauft werden, sondern wir die volle Kontrolle darüber haben. Das ist auch hierzulande trotz DSGVO nicht selbstverständlich. In den USA werden Frauen jetzt angehalten, ihre Apps besser zu löschen und nicht mehr zu verwenden. Es ist zu gefährlich.
Und mit diesem Beispiel sei nochmal gesagt: Datenschutz soll nicht Daten schützen, sondern Menschen.
What Companies Can Do Now to Protect Digital Rights In A Post-Roe World | Electronic Frontier Foundation — www.eff.org
WHAT TO HEAR
Life Kit — How to stop revenge bedtime procrastination — podcasts.google.com
When your days are packed, it can be hard to find some “me time” time to unwind. You might find yourself staying up past your bedtime, scrolling on social media or watching an extra episode of your latest show, That’s called “revenge bedtime procrastination.” These tips can help you overcome it.
WHAT TO WATCH
WHAT TO READ
Franziska Giffey führt Telefonat mit falschem Vitali Klitschko.
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Digital Services Act under threat over fight between EU Parliament, France.
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Geopolitical implications of AI and digital surveillance adoption.
Studie: EU-Einfluss in Afrika schwindet rapide, China steigt auf.
The problem with schools turning to surveillance after mass shootings.
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