Elon verkauft an Terroristen, Datenbroker an Abtreibungsgegner
Nicht nur normale Irre haben die blauen Haken, sondern auch die Super-Irren: Terroristen. Elon bekommt daher ärger. Viel zu wenig Ärger, weil nicht so richtig verboten in den USA, bekommen Datenbroker
Vielen lieben Dank für das positive Feedback auf meinen endlich wieder geschriebenen Newsletter. Da habe ich mich doch statt Tatort nochmal hingesetzt und was für Euch zusammengetragen.
Vergangene Woche war ich das erste Mal auf der Münchener Sicherheitskonferenz – allerdings nur am Vortrag, am Donnerstag zur Innovation Night in Kooperation mit dem Cyber Innovation Hub. Was für eine spannende Erfahrung mal im Bayrischen Hof zu sein und das ganze fast zu erleben. Am Abend habe ich noch an einer Diskussion zum Einfluss von KI auf die Verbreitung von Desinformation teilgenommen, die von der Frauengruppe der Atlantik Brücke organisiert war. Ich habe zwar im Panel nicht mitdiskutiert, aber dennoch aus dem Publikum heraus die Frage aufgeworfen, dass wir meiner Meinung nach zu häufig mit rationalen Maßnahmen auf Desinformationen reagieren wollen. Dabei triggern diese bei den Rezipent:innen die Emotionen und Emotionen – das weiß jeder, kann man schlecht mit Fakten begegnen. Auch brachte eine Panelistin den Punkt an, den ich auch wichtig finde: Wir reden nun vom Einfluss von KI und lenken uns so auch ein bisschen von der generellen Lösungssuche vom Umgang mit Desinformationen ab.
Alles kein leichtes Thema und man wird es auch nicht auf einer Paneldiskussion lösen. Aber es ist doch erschreckend, wie Desinformation, Hetze und Aufrufe zu Gewalt über Messenger verbreitet werden und Leute so triggern, dass sie mit radikalsten Parolen auf die Straßen gehen. Dabei so radikal sind, dass sie Zugänge zu Druckereien von Zeitungen blockieren und die Grünen davon abhalten, ihren Aschermittwoch in Biberach zu begehen. Etwas, das es von allen Demokrat:innen aufs Schärfste zu verurteilen gilt – da müssten noch ein paar etwas aufholen. Lösungsdiskussionen dafür sind mir zu technisch, zu sehr auf Tech-Regulierung fokussiert. Mir fehlen wirkliche gesellschaftspolitische Bearbeitungen dieses Problems.
Damit lasse ich Euch in die neue Woche und wünsche Euch viel Spaß beim Lesen!
Ann Cathrin 🦞
Huch, Elon müsste sich ja an Gesetze halten: X verkauft blaue Haken an Terroristen
Im Internet gibt es ein paar Regeln, an die man sich halten muss. Da geht es nicht nur um Hatespeech – der Digital Service Act ist jetzt auch für kleinere Plattformen in Kraft – sondern auch um so Dinge wie Sanktionen, die man umsetzen müsste, bzw. sich an sie halten. Das bedeutet: an Terroristen verkauft man nichts. Elon und sein X, formerly known as Twitter, hat das aber gemacht und den “blauen Haken”, also den verifizierten Account von Hizbullah und Huthi-Mitglieder erwerben lassen. Menschen, die u.a. von den USA sanktioniert werden. Hassan Nasrallah, der Anführer der Hizbullah, scheint sogar seinen Ausweis an X geschickt zu haben, um seinen Account verifizieren zu lassen.
Ich musste bei dem Thema Sanktionen und Zahlungsströme nochmal an das Buch von Henry Farrell und Abraham Newman denken, das ich Euch in der letzten Ausgabe empfohlen habe. In Underground Empire zeigen sich eindrücklich und verständlich, wie US-amerikanische Sanktionen ungeahnte Auswirkungen auf das weltweite Finanzsystem haben. Wirklich lesenswert.
Datenschutz-Desaster 1: KI-Partnerinnen sammeln zig persönliche Daten
Dass man seinem Partner oder der Partnerin die intimsten Dinge erzählt, ist nicht ungewöhnlich. Eher der Normalfall. Im Normafall geht man auch davon aus, dass er oder sie das für sich behält. Vermutlich geht man auch davon aus, wenn man sich eine KI zur Partnerin wählt.
Zum Valentinstag vergangene Woche hat Mozilla nun eine Analyse über sogenannte “Girlfriend und Boyfriend KIs” herausgebracht haben, die besagt, dass diese definitiv nicht Freund oder Freundin von jemandem sind. Und das nicht, weil sie kein Mensch sind, sondern weil sie wahnsinnig viele Daten und Informationen sammeln und weitergeben. Mozilla selbst war von den Ergebnissen schockiert, denn so schlecht hatte bisher niemand abgeschnitten, wie die untersuchten Apps. 90 Prozent der untersuchten Apps sammeln personenbezogene Daten und verkaufen oder teilen diese. Die Hälfte der Apps erlaubt nicht, dass gesammelte Daten gelöscht werden können.
Und diese Daten werden reichlich verkauft oder geteilt. Durchschnittlich hat eine App 2.663 Tracker pro Minute(!) aktiv. Die App “Romantic AI” übertrumpft dabei alle: Sie hat 24.354 Tracker, die pro Minute aktiv sind.
Datenschutz-Desaster 2: Abtreibungsgegner:innen können mit Geodaten Frauen drangsalieren
Ich habe das in früheren Newslettern schon mehrfach angesprochen. Es ist nicht neu, nur irgendwie weiterhin zu sehr Techie-Thema, wie mir manchmal scheint. In den USA ist die Lage für Frauen, wenn sie abtreiben wollen, selbst nach einer Vergewaltigung einfach dramatisch schlecht. Und selbst dort, wo es noch legal ist abzutreiben, werden Frauen drangsaliert: Vor Abtreibungskliniken oder per gezielter Werbung auf ihrem Smartphone.
In den USA ist es möglich, reihenweise Daten über Datenbroker zu kaufen (über diese wird übrigens viel zu wenig gesprochen, sie sind auch nicht wirklich bekannt). Selbst Strafverfolgungsbehörden kaufen dort Daten, weil sie sie nicht selbst erheben dürfen. Und das tun eben auch Abtreibungsgegner:innen. Ein US-Senator hat nun herausgefunden, dass ein Unternehmen an 600 Standorten von Planned Parenthood Geodaten gesammelt hat, und diese an Organisationen verkauft hat, die Frauen von einem Abbruch abhalten wollen.
Die New York Times hatte mal ein immer noch lesenswertes und interaktives Stück über eine Nation, die getrackt wird. Sehr creepy.
Sie wollten einen Tech-Job und hängen als Content-Moderator:innen fest
Auch über dieses Thema schrieb ich schon mehrfach in früheren Ausgaben: Content-Moderator:innen haben keinen leichten Job – im Gegenteil. Damit wir ein “schönes” Internet haben, werden sie tagtäglich tausenden widerlichen Bildern und Videos ausgesetzt. Sie sehen Dinge, die wir uns nicht mal vorstellen können. Ihre Arbeitsbedingungen sind schlecht, die Bezahlung ebenso. Dabei fordern wir überall, dass Inhalte von Menschen moderiert werden sollen, da KI (und das stimmt nun mal), einfach nicht gut genug ist, auch wenn das viele gerne denken.
Content-Moderation ist ein Job, der eigentlich vieler Qualifikationen bedarf, denn ich muss nicht nur die Sprache verstehen, sondern auch den Inhalt, um den es geht. Und das ist eben mehr, als lediglich schriftliche Beleidigungen. Es kann auch sehr diffizil werden.
In Pakistan haben einige junge Menschen mit einer super Ausbildung während der Pandemie einen Job als Content-Moderator:in angenommen – auch wenn sie teilweise einen anderen Job erwarteten, auf den sie sich beworben haben. Content-Moderation hat aber so einen schlechten Ruf, dass sie da nicht wegkommen. Andere Branchen nehmen sie nun nicht mehr.
Buchtipp
Keine Sorge, diesmal nur einen! Ich habe fertig gelesen: Nils Kumkar: Alternative Fakten und sollte mich bald mal um einen Affiliate Link bei Suhrkamp kümmern 🙃
Nils Kumkar schaut sich in diesem Buch die Funktion von alternativen Fakten an. Es geht ihm also nicht darum, herauszufinden, warum Menschen diese glauben, sondern warum die Sender sie einsetzen. In Kürze: Die, die alternative Fakten konstruieren (z. B. den Klimawandel gibt es (so) nicht), die erkennen das Faktum eigentlich an. Weil sie sich aber nicht damit politisch auseinandersetzen wollen (u. a. weil es ja bedeuten würde, dass man etwas verändern muss), konstruieren sie alternative Fakten, die von der politischen Bearbeitung des eigentlichen Problems ablenken und so die Diskussion verschieben. Sehr erkenntnisreiche Lektüre!
Und sonst noch…?
Letzte Woche schrieb ich bereits über das „Gentlemen's Agreement“ des Internets. Die kleine Text-Datei, die Crawlern sagt, was sie dürfen und was nicht. Hier gibts eine kleine Geschichte der robots.txt-Datei.
Russland und China wollen beim Thema militärische KI stärker zusammenarbeiten. Es kommt nicht überraschend, macht einem dennoch Sorgen.
Eine Mutter wundert sich, warum ihr Kind mit AfD-Ansichten daher kommt und erfährt, dass es diese aus einem bekannten Podcast hat. Warum man mit Kindern im Gespräch über die Inhalte bleiben muss, die sie konsumieren.
Wie viel geben wir eigentlich für Verwaltungsdigitalisierung aus? Wissen wir nicht so recht. Und das, was wir wissen, ist nicht sonderlich viel. Netzpolitik berichtet über eine Anfrage der Abgeordneten Anke Domscheit-Berg.
Und warum klappt es eigentlich nicht mit der eID auf dem Personalausweis? Wissen wir auch nicht. Das BMI hat für teuer Geld PINs verschickt und nie recherchiert, warum Leute die nicht genutzt haben, nachdem sie sie eigentlich zurücksetzen wollten – immerhin 40 Prozent. Nun haben sie diesen Service eingestellt. Voran kommen wir nicht…
…aber wie stehts eigentlich um die digitale Gesellschaft in Deutschland? Die Initiative D21 hat dazu wieder ihr aktuelles und jährliches Lagebild veröffentlicht.
Ich glaube ja weiterhin, dass es einen Rolf 2.0 und solche Werbespots braucht, damit die eID mal Verbreitung findet und Menschen die Angst nimmt: