Corona-Desinformationen, BMJV ohne Bock auf Bürgerrechte und wer gibt Deine Daten eigentlich an…
Februar also schon. Da sind wir schon im zweiten Monat des Jahres und ich denke darüber nach, ob es eigentlich überhaupt gute Nachrichten…
Februar also schon. Da sind wir schon im zweiten Monat des Jahres und ich denke darüber nach, ob es eigentlich überhaupt gute Nachrichten gab? Irgendwie reiht sich eine Katastrophe an die nächste, Trump haut einen Klopper nach dem anderen raus und auf Twitter eine Sau nach der anderen durchs Netz getrieben. Spaß macht das alles keinen mehr. Ich habe heute meine Bücherstapel angestarrt und beschlossen, dass ich mich vielleicht doch wie geplant besser auf die toten Bäume konzentrieren sollte. Sind immerhin echt spannende Bücher, die da aufs gelesen werden warten. Allerdings lese ich gerade “Wie Demokratien sterben” und “Cyberwar — Die Gefahr aus dem Netz” und zumindest für die Laune ist das leider keine Bereicherung (und dennoch sind die Bücher lesenswert).
Aber gut, es gibt auch wenige gute Nachrichten. Ich habe mich letzten Sonntag dann noch ins Gym gequält und diese zwei ollen Badges der Apple Watch bekommen. Dachte die Freude ist größer und langanhaltender. Aber nun ja. Wirklich groß ist aber immer noch die Freude darüber, dass ich in einen weiteren Beirat berufen wurde und die Info nun auch offiziell publiziert wurde: Ich darf als Beiratsmitglied das neu gegründete Co:Lab — Denklabor und Kollaborationsplattform für Gesellschaft und Digitalisierung e.V. unterstützen und bin sehr gespannt auf diese Aufgabe!
Der Februar und auch der Rest des Jahres dürften nach meinem Geschmack deutlich positiver und konstruktiver werden. Ich hoffe drauf. Bis dahin erstmal den heutigen Newsletter für Euch, es gibt einiges zu tun 🙂
Ann Cathrin
P.S.: Ich würde mich freuen, wenn Du mich und meine Arbeit mit monatlich 3,50, 5 oder 10 Euro über Steady unterstützen würdest.
WHAT TO KNOW
Der Ausbruch eines Viruses ist perfekt für Verschwörungstheorien und Desinformationen. Oder auch für “Business”-Ideen um vornehmlich Quatsch im Internet zu verkaufen, oder Geld über Werbeeinnahmen zu generieren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass einige Verschwörungstheorien und Desinformationen im Netz verbreitet werden. Es zeigt zudem, dass viel zu selten über diese nicht-politischen Desinformationen gesprochen wird, die meiner Meinung nach häufig viel gefährlicher sind als politische Desinformationen zu Wahlkämpfen. Facebook und Instagram sind gerade dabei Falschinformationen über das Virus von ihren Plattformen zu löschen. Aber die Probleme mit solchen Des- oder Falschinformationen sind häufig viel subtiler und schwerer zu identifizieren — sei es als User oder als Plattform. The Atlantic berichtet über den Wissenschaftler Eric Feigl-Ding aus Harvard, der ein Paper über das Virus twitterte und Infos aus diesem in einem Thread bereitstellte. Das Problem hierbei: das Paper war noch nicht mal Peer-reviewed und wie sich später rausstellte, war die in dem Paper angenommene Höhe der Basisreproduktionszahl für die Infektion mit dem Virus viel zu hoch. Da war der Tweet aber schon tausendfach geteilt. Korrekturen von anderer Seite erhielten — wie fast immer — nicht annähernd so viel Reichweite.
Die Desinformationen über das Virus, die gerade verbreitet werden, hat Buzzfeed News zusammengestellt.
China Coronavirus: How Misinformation Spreads on Twitter — The Atlantic — www.theatlantic.com
“Seid wachsam, Bürgerrechtler”, schreibt der Rechtsanwalt Prof. Niko Härting in einem Gastbeitrag. Das, was unsere Justizministerin vor hat, ist überaus gruselig. Das BMJV verwirrt mit zwei Gesetzen, die es rund um den Jahreswechsel veröffentlicht hat. Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, sowie ein Gesetz zur Änderung des NetzDG, wobei auch erstes das NetzDG anpassen soll. Ebenfalls im erstgenannten Gesetz ist die Pflicht zur Passwortherausgabe enthalten, die die Ministerin nun zwar etwas entschärft haben will, in Wirklichkeit hat sie das aber nicht. Zumal sie immer noch davon spricht, dass Passwörter verschlüsselt gespeichert seien, dabei wird deren Hashwert gespeichert. Im Interview bei Netzpolitik wird erklärt, was hier der Unterschied ist. Lockert die Ministerin die datenschutzrechtlichen Vorgaben und die Vorgaben für Datensicherheit bei Passwörtern, haben vor allem Kriminelle künftig leichtes Spiel, die se Zugänge bei den Diensteanbietern ebenfalls durch Hacks zu bekommen. Aber um IT-Sicherheit macht sich in dieser Bundesregierung mal wieder keine:r Gedanken.
Im neuen NetzDG Entwurf sind auch zwei Knüller: Die Plattformen sollen ermutigt werden, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz bestimmte Inhalte zu sperren — hallo Meinungsfreiheit — aber man weiß ja mittlerweile, dass man in dieser Bundesregierung von der Allmacht der KI ausgeht. Sei es bei der Gesichtserkennung oder den Uploadfiltern. Außerdem sollen Plattformen sowohl Opfer als auch Täter:innen in Gruppen einsortieren. Niko Härting sagt dazu:
Das systematische und automatische Sperren bestimmter Inhalte durch eine staatliche Behörde wäre rechtsstaatlich höchst bedenklich. Dasselbe gilt für eine Einteilung der Nutzer in „Gruppen“, um Aussagen über eine besondere Auffälligkeit bestimmter Gruppen zu tätigen. Eine derartige Überwachung von Netzinhalten ist der erste Schritt zur Diskriminierung von Bevölkerungsgruppen und zur Unterdrückung unerwünschter, missverständlicher oder auch satirischer Meinungsäußerungen. Dass das BMJV keine staatliche Stelle mit einer solchen Überwachung beauftragen möchte, sondern die Netzwerkbetreiber zur systematischen Überwachung ermutigt, macht den Gesetzesvorschlag nicht besser. Die bedenkliche Tendenz, Aufgaben der staatlichen Ermittlungsbehörden an private Unternehmen (fast alle mit Hauptsitz in den USA) outzusourcen, setzt sich fort.
Am 19. Februar sollen diese Gesetze im Kabinett beschlossen werden und dann in den Bundestag eingebracht werden. Die Zeit für Stellungnahmen war besonders kurz angesetzt. Die Art und Weise, wie hier abermals Bürgerrechte beschnitten werden sollen, ist gruselig.
Bestandsdaten: Justizministerin hält an Passwortherausgabe fest — Golem.de — www.golem.de
Facebook sammelt eine Menge Daten. Keine Überraschung. Und Unternehmen leiten gerne Daten ihrer Produkte weiter. Eigentlich auch keine Überraschung, aber so wirklich aufm Schirm haben das glaube ich die wenigsten. Facebook hat mit seiner Privacy-Offensive (die den Namen leider nicht verdient) nun ein neues Tool zur Verfügung gestellt, das einem zeigt, welche Apps und Webseiten Daten mit Facebook von einem Teilen. Und ja, das kann ein bisschen schockierend werden, wenn man sich es hier anschaut. Bei mir sind es über 200 Seiten und Apps. Zum Beispiel meine App “Sleep Cycle”, die meinen Schlaf trackt. Wie und warum sie Daten an Facebook teilt — keine Ahnung. Habe ich ihr nicht bewusst erlaubt. Ich sehe leider auch nicht bei Facebook welche Daten das sind. Facebook versucht bloß zu beruhigen, dass das ja nur für bessere Werbung ist und keine sensiblen Daten verwendet werden dürfen. Und natürlich verkauft Facebook keine Daten — brauchen sie auch nicht. Sie verdienen ja ihr Geld mit den aggregierten Informationen über mich, die sie dann an Werbetreibende verkaufen. Verhindern, dass Apps oder Webseite Daten von mir an Facebook senden, kann ich übrigens nicht verhindern. Lediglich, dass die Daten mit meinem Konto verknüpft werden.
Daten gibt übrigens auch der neue Tinder-Panik-Button an Facebook weiter, bzw. die App mit der man Tinder verknüpfen muss, um diese Funktion nutzen zu können.
Facebook: Neues Tool zeigt, wer Ihre Daten ans Netzwerk weitergibt — DER SPIEGEL — Netzwelt — www.spiegel.de
Damit aber nicht genug, was Datensammlungen und -missbrauch angeht. Die kostenlose Virenschutz-Software Avast hat massenweise Browserdaten ihrer Nutzer:innen an eine Tochterfirma weitergeleitet. Zwar haben die Nutzer:innen dem mit einem “Opt-in” wohl zugestimmt, aber es war nicht offensichtlich, dass alle Daten vom Surfen an ein anderes Unternehmen weitergegeben werden und diese anonymisiert — sofern das denn wirklich möglich ist — verkauft werden, sodass Unternehmen analysieren können, wie Menschen zum Beispiel auf Amazon surfen. Das Unternehmen hat das nach dem Leak von zahlreichen Dokumenten eingestellt, aber es zeigt uns, dass wir dringend effektivere Datenschutzgesetze brauchen, bzw. bessere Rechtsdurchsetzung der europäischen Datenschutzbehörden. Ich vermute mal, dass das in Europa nicht so einfach möglich wäre, bzw. rechtswidrig ist. Bin mir aber unsicher, weil die Nutzer:innen durch das Opt-in ja zugestimmt haben. Ich denke daher, dass wir hier grundlegendere Verbote von solchen massenhaften Datenaggregierungen brauchen. An diesen Datensammlungen scheint mir auch wenig für Innovationen notwendig — hier geht es schlicht um Werbung und das Verkaufen von Produkten. Das aber auf Kosten der Privatsphäre von Millionen von Nutzer:innen. Es wäre eh fraglich, wie innovativ etwas sein kann, wenn diese “Innovation” nur aufgrund von Verstößen gegen Grundrechte Einzelner (die der Datenschutz schützt) möglich ist. Ich halte das nicht für innovativ, da es uns als Gesellschaft nicht weiter bringt. Talking about the ethical digitalisation… In der New York Times fragt man sich ob zahlreicher solcher Datenmissbräuche, warum der Staat seine Bürger:innen eigentlich nicht schützt und warum die USA eigentlich das einzige westliche Land ohne Behörde für Datenschutz sind.
After Fitbit wristbands began causing people to develop skin rashes and blisters a few years ago, the consumer safety agency announced a recall of about one million of the fitness-tracking devices.
But after Strava, a popular fitness-tracking app, posted a granular map of its users’ workout routines last year, exposing their locations — including for personnel on remote military bases in Iraq — there was no agency to alert people to the risks or stop the company from revealing their data.
Why are Americans protected from hazardous laptops, fitness trackers and smartphones — but not when hazardous apps on our devices expose and exploit our personal information?
Gute Frage, die nochmal zeigt: wir haben noch sehr viel zu tun, um mit dem digitalen Zeitalter umzugehen. Und müssen da eigentlich richtig Tempo machen. Über die ganzen Sachen, die man mit solchen Datensammlungen anstellen kann, habe ich bereits mehrfach geschrieben. Unter anderem hier.
Leaked Documents Expose the Secretive Market for Your Web Browsing Data — VICE — www.vice.com
Es verwundert nicht, dass Trump einen deutlichen Vorsprung im digitalen Wahlkampf hat. Wie ich hier bereits schrieb, nutzte er beispielsweise die Tötung Soleimanis, um sich auf sozialen Netzwerken zu feiern und Daten von Unterstützer:innen zu bekommen. Aktuell wird enorm viel mit Geofencing gearbeitet, um Wähler:innen-Gruppen gezielt anzusprechen:
Geofencing is just one of the new tools of digital campaigning, a largely unregulated field of political combat in which voters have little or no idea of how they are being manipulated, in which traditional disclosure requirements are inoperative and key actors are anonymous. It is a weapon of choice. Once an area is geofenced, commercial data companies can acquire the mobile phone ID numbers of those within the boundary.
In den USA ist nicht nur ob fehlender ordentlicher Datenschutzgesetze, sondern auch wegen vielen öffentlich zugänglichen (Wähler:innen-)Daten einiges mehr möglich als hier. Die Trump-Kampagne investiert abermals deutlich mehr Anteile ihres Wahlkampfbudgets in zielgerichtete digitale Werbung. Der Text zeigt: es sollte fraglich sein, ob es sinnvoll ist, so enorme Diskussionen über Beeinflussungen der Wahl durch Drittstaaten zu führen. Natürlich sind die gefährlich, ein Problem und sollten auch nicht unterschätzt werden. Die größte Gefahr sehe ich aber für die USA (und auch für Europa) bei den eigenen Leuten. Bei der exzessiven Datensammlung und Nutzung von vorhandenen Tools und Technologien für die eigene populistische und sicher auch nicht immer wahrheitsgetreue Kampagne. Regulierung muss hier ansetzen und nicht wie zum Beispiel in Deutschland mit der Kennzeichnung von angeblichen “Social Bots”.
Opinion | Trump’s Digital Advantage Is Freaking Out Democratic Strategists — The New York Times — www.nytimes.com
Twitter macht momentan immer weniger Spaß. Wirklich täglich wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben und jede:r macht mit. Ob links, ob rechts, ob liberal — die eigenen Standards werden regelmäßig über Bord geworfen, wenn man nur meint auf der richtigen Seite zu stehen. Wie viel Aufmerksamkeit Belangloses und unwichtige Menschen bekommen, die nur dadurch “wichtig” werden und Reichweite bekommen, weil man sich provozieren lässt und ihnen diese Reichweite gibt. Und weil noch nicht jede:r seinen Senf zur Tages-Sau abgegeben hat, muss es wirklich jede:r nochmal tun. Eigentlich mag und schätze ich Twitter sehr. Aber 2020 ist es bisher echt unerträglich.
Nicole Diekmann über Empörung im Netz: Die nervige Lust am Missverstehen — www.t-online.de
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Am 28. Mai 2020 findet in Luxemburg die Europäische Datenschutz Konferenz GDPR+2statt. Sie richtet sich sowohl an C-Level-Manager, Datenschutzbeauftragte, IT-Sicherheitsexpertinnen, Fachanwälte und viele mehr! Mehr Infos und Tickets gibt es unter:https://www.gdpr-conference.eu/
WHAT TO WATCH
3.000 Kameras in Moskau können schon Gesichtserkennung. Eine Aktivistin kämpft dagegen, ein Journalist berichtet über Daten, die auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden und Moskauer:innen sagen, sie störe es nicht, da sie eh schon überwacht werden.
WHERE TO GO
Körber Debate: Soll Deutschland Cyberangriffe durchführen dürfen? — Körber-Stiftung — www.koerber-stiftung.de
Hamburg, I’m coming for ya! Am19.2.2020 diskutiere ich mit Martin Schallbruch darüber, ob Deutschland Cyberangriffe durchführen sollen dürfen. Anmelden kann man sich ab dem 5.2.2020 (kostenlos), vormerken schon jetzt!
Fachkongress Digitale Gesellschaft 2020 | Initiative D21
Am 25. Februar 2020 stellt die Initiative D21 u.a. ihren neuen D21-Digital-Index 2019 / 2020 vor!
WHAT TO READ
So long, face recognition ban in Europe… 🙄😠
Dafür legt London richtig los mit Gesichtserkennung im öffentlichen Raum.
Gesichtserkennung kann man auch auch für gute Zwecke einsetzen: Um die Geschichten von Menschen, die den Holocaust nicht überlebten zu rekonstruieren.
Prof. Dr. Spindler von der Universität Göttingen hat im Auftrag der Grünen ein Gutachten veröffentlicht. Er hält den Artikel 17 (Uploadfilter) der EU-Urheberrechtsreform für europarechtswidrig.
Ein Demokratie-Update ist dringend nötig! Die Digitalisierung bietet uns da einige Möglichkeiten. Adriana Groh vom Prototype Fund durfte zum Thema Zukunft der Demokratie beim Deutschlandfunk Kultur auch was beitragen.
Beweise, ob Huwaei nun Hintertüren hat oder nicht, bringen uns nicht weiter. Es geht vielmehr um notwendiges grundsätzliches Vertrauen einem Hersteller gegenüber.
Vint Cerf ist einer Gründer des Internets und heute Vice-President von Google. Was er über den Stand des heutigen Internets sagt, erzählt er hier im Interview.
App zu Amazons Ring-Kameras ist große Datenschleuder — überrascht nicht.
Der Emotet-Befall im Berliner Kammergericht zeigt, wie leicht anfällig die Justiz für Cyberangriffe ist. Es ist mehr als überfällig, dass hier aufgerüstet wird. Die Daten, mit denen sie agieren, sind zu sensibel.
This Is How Democracy Dies — A new report shows that people around the world are collectively losing faith in democratic systems.
„Er zeigt genau den antimuslimischen Rassismus, den er abstreitet“ — über den Rassismus von Thilo Sarrazin.
JOBS
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