Ceci n’est pas une chat — Issue #77
Woher kommen eigentlich immer die Titel meines Newsletters? Die sind jedes Mal ein schweres Unterfangen. Meist irgendwelche Wörter, die…
Woher kommen eigentlich immer die Titel meines Newsletters? Die sind jedes Mal ein schweres Unterfangen. Meist irgendwelche Wörter, die mir aus irgendwelchen Gründen in der Woche zuvor im Kopf hängen geblieben sind. “I’m not a cat”, sagte ein Anwalt in einem Zoom-Meeting, der den Katzenfilter nicht weg bekam. Das Video ging viral — ich habe sehr, sehr viel gelacht (ist unten natürlich aufgeführt der Tweet 😉). Französisch zu sprechen wurde mir hingegen letzte Woche verboten. Dabei kann ich so großartige Redewendungen — sogar mit Katze! — auf Französisch. Aber in einem Meeting mit Franzosen bekam ich parallel eine Nachricht mit den Worten “Wehe, Du sagst was auf Französisch!”. Ein Blick wieder hoch auf den Laptop ließ mich in ein Gesicht blicken, das in etwa so aussah 🤨Manche Menschen kennen mich einfach zu gut und verspüren meine Verlockungen selbst auf die Distanz.
Und nun ist schon wieder eine Woche rasend schnell um gegangen. Ich komme kaum noch hinterher und alles stapelt und stapelt sich. Gestern musste ich Schlaf nachholen und heute die Wohnung putzen — was man so macht am Valentinstag. Daher erst jetzt zur späten Stunde mein Newsletter — macht Euch eine Kerze an, romantischer wirds in dieser Email heute nicht 😅❤️ Wer mag, kann sich aber im Anschluss noch in zackigen 30 Minuten mein Gespräch mit Alexander Graf Lambdsdorff auf Instagram zu Digitalisierung und Außenpolitik angucken. Ich erkläre dort Algorithmenmonitoring anhand eines Kuchenrezepts und warum ich finde, dass Digitalpolitik auch immer Außenpolitik ist.
Ansonsten hoffe ich, dass Ihr das schöne Winterwetter genießt, Ihr weiterhin gesund bleibt und Euch nichts brecht beim Rodeln oder Schlittschuhlaufen.
Alles Liebe
Ann Cathrin 🐈
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WHAT TO KNOW
Wie kam das Facebook Oversight Board zustande? Dieser lange Artikel von Kate Klonick hat die Installation nahezu von Beginn an begleitet. Sie kam als Idee eines Supreme Courts, von einem Harvard-Professor. Ein eigenes Rechtssystem für Facebook, das weltweit gelten könne. Wie schwierig das alles ist — die Installation des Oversight Boards und auch die Bewertung der Inhalte, zeigt dieser Artikel wirklich eindrücklich. Bevor das Board überhaupt besetzt wurde, reisten Facebook Mitarbeiter durch die Regionen der Welt und sprachen dort mit Expert:innen über Inhalte und wie so ein Board aussehen müsse. Interessant zu beobachten war, dass dort, wo Menschen in deutlich instabilen Gesellschaften leben, das Bedürfnis nach strengerer Auslegung von Meinungsfreiheit gewünscht war. Auch der stärkere Eingriff durch die Plattform — weil man sich nicht immer auf die eigene Regierung und deren Gesetze verlassen kann. Die Notwendigkeit dessen zeigte unter anderem Myanmar.
Aber auch die Besetzung des Boards war kein Leichtes. Und recht kann man es wohl niemandem machen. Wer entscheidet, wer Teil des Boards wird? Sollen Menschen im Board sein, die sich mal rassistisch äußerten und Rechte von sexuellen Minderheiten eventuell nicht ganz so ernst nehmen? Inwiefern darf oder sollte Facebook durch die Besetzung eine Richtung vorgeben?
Wer kann und darf Fälle beim Oversight Board melden? Bislang ist es nur möglich, dass Inhalte, die von Facebook heruntergenommen wurden, überhaupt vom Board verhandelt werden sollen — nicht Inhalte, bei denen man sagt, dass sie unrechtmäßig noch online sind. Die Nutzer:innen können nicht einfach Inhalte selber einreichen. Die Präzedenzfälle reicht Facebook selber ein. Der jüngste ist die Sperre von Donald Trump.
Ich bin prinzipiell sehr interessiert an diesem Konzept der Social Media Councils — gerne unabhängiger als dieses von Facebook, auch wenn es das sein soll. Aber es ist alles komplizierter, als man gemeinhin annimmt. Eben auch mit Sprache, Bildern, Fairness und der Meinungsfreiheit. Ich denke wirklich sehr oft, dass wir es uns in den Debatten um diese Fragen viel zu einfach machen. Die Umsetzung ist kompliziert — wie die Welt eben auch. Und solche Entscheidungsgewalten regelmäßig — auch bei rechtswidrigen Inhalten einfach an “die Plattformen”, an einfache Content-Moderator:innen wegdelegieren — ich weiß nicht. Ich weiß aber auch nicht, was die Alternative ist. Ich weiß nur, dass wir mehr darüber sprechen müssen, wie kompliziert das alles ist, und dass wir es uns nicht einfach machen sollten in unseren Debatten.
Inside the Making of Facebook’s Supreme Court | The New Yorker — www.newyorker.com
Die New York Times veröffentlichte bereits vor ein paar Jahren Daten, die an sie geleakt wurden. Ein riesiger Datensatz mit Ortungsdaten von Menschen und ihren Aufenthaltsorten. Die NYT war in der Lage, die Identität einiger Menschen herauszufinden (wie? Meist nicht arg schwer — wie viele Leute gehen von genau Deinem Haus regelmäßig zu genau Deiner Arbeitsstätte?) Mit der Verknüpfung von angeblich anonymen Daten konnte auch diesmal bei einigen Menschen die Identität hinter den Datensätzen ermittelt werden. Beim jetzigen Whistleblowing handelt es sich um Daten von Menschen, die am 6. Januar das Kapitol stürmten. Einige konnten auch hier identifiziert werden.
Polizeibehörden brauchen in den USA dafür nicht mal unbedingt eine Rechtsgrundlage, um die Daten selber sammeln zu können. Sie kaufen sich die einfach von Datenbrokern, die die Daten für Werbezwecke sammeln, zusammenführen und Profile erstellen. Falls nochmal jemand der Meinung ist, das sei doch alles Quatsch. Schaut Euch diesen und den dort verlinkten älteren Artikel mit den zigtausenden Datensätzen an. Es ist gruselig. Man mag zwar in diesem Falle denken: trifft ja die Richtigen! Aber diese Daten werden dort von jedem gesammelt. Man hätte sie auch zum Beispiel bei den Balck Lives Matter Demonstrationen an die Zeitung spielen können — oder schlimmer noch: selbst veröffentlichen und sehen, was White Supremats mit diesen Daten machen würden. Diese massenhaften Datensammelei auch in der Privatwirtschaft ist höchst gefährlich. Und der gesellschaftliche Mehrwert? Ich sage: nicht existent.
Opinion | They Stormed the Capitol. Their Apps Tracked Them. — The New York Times — www.nytimes.com
Gerade mal wieder ins Clubhouse gegangen und dort in einen Raum, in dem darüber gesprochen wurde, ob man am Valentinstag die Scheidung überreichen darf. War ein Talk, der eigentlich eher eine Beratungsstunde für Muslim:innen war, bei der religiöse Fragen des Alltags beantwortet wurden (Was tun, wenn die Eltern zwei unterschiedlichen Rechtsschulen angehören? Schwierig, einige vertragen sich nicht so gut. Dürfen Frauen den Koran rezitieren, das aufnehmen und als Video bei TikTok posten? Ja klar, dürfen Männer ja auch). Die Frage nach der Scheidung am Valentinstag habe ich leider verpasst. Würde aber mal behaupten: ja, darf man. Auf Clubhouse kann man also (wie eigentlich auf allen Netzwerken) Gesprächen mit lauschen, zu denen man sonst nicht so häufig kommt. So ging es auch Menschen aus China, Taiwan, Hongkong und Uiguren in aller Welt. Ich sah bereits vor Tagen Tweets von Menschen, die ganz begeistert darüber schrieben, wie Menschen aus diesen Ländern bzw. Volksgruppen sich auf der Plattform austauschten — denn Clubhouse war da noch nicht zensiert in China. Wie ist es wirklich in China oder Taiwan? Wie geht es einem mit den Sicherheitsgesetzen in Hongkong und werden Uiguren wirklich in Lagern gehalten? Menschen, die sonst nicht miteinander ins Gespräch und in Austausch kommen. Wirklich faszinierend, was dieses Internet alles möglich macht.
Gruselig aber auch der Gedanke, dass man davon ausgeht, dass aus China Spione des Staates vermutlich im Publikum saßen und dort beobachteten, was die Chines:innen dort sagten. Die App ist mittlerweile dort gesperrt, wie so viele andere westliche Social Media Plattformen.
China Blocks Clubhouse App After Brief Flowering of Debate — The New York Times — www.nytimes.com
Habt Ihr auch Die Sims gespielt, oder spielt es immer noch? Es war mein Computerspiel. Das, was ich am längsten gespielt habe und ich glaube auch das, was ich zuletzt spielte, bis mich Computerspielen einfach nicht mehr reizte. Der Text unten zeigt, was Computerspiele bewirken können — eben gerade die Sims. Man kann viel über sich lernen, was man eigentlich vom Leben will — wie es aussehen soll, wie man selber sein will. Weil man so (ganz unbewusst?) seinen Charakter gestaltet und spielt. Oder, man merkt durch das Spiel, dass man mehr auf sich achten sollte. Die grünen Balken auch im real life aufgefüllt sein sollten und man sich mehr um sich selber kümmern sollte. Sehr spannend.
Seit ich den Text las, frage ich mich, wie ich meine Sims eigentlich spielte. Das, woran ich mich noch am meisten erinnere, sind die Häuser. Ich wollte als Kind und Teenager lange Architektin werden und liebte es Häuser bzw. Grundrisse zu zeichnen, hatte auch ein Architekturprogramm für den Computer, um sie dort zu bauen und bei den Sims ercheatete (ja, I’m a cheater) ich ganz viel Geld nur um schöne Häuser zu bauen. Vielleicht muss ich es doch mal wieder spielen (es ist übrigens 21 Jahre alt das Spiel 🤯) — vielleicht gibt es ja ein paar Erkenntnisse über mich selbst.
‘The Sims’ Made Me Realize I’m Ready for More In Life | WIRED — www.wired.com
WHAT TO HEAR
Episode 1: Der Abend des 19. Februar 2020 — Spotify Studios | Podcast on Spotify — open.spotify.com
Listen to this episode from 190220 — Ein Jahr nach Hanau on Spotify. Der rechtsterroristische Anschlag in Hanau jährt sich zum ersten Mal. Gemeinsam mit Filip Goman, dem Vater der ermordeten Mercedes Kierpacz, und Mustafa Tunç, einem Überlebenden, rekonstruieren Sham Jaff und Alena Jabarine die Geschehnisse der Tatnacht. Vor allem geht es um eine Frage, die die Betroffenen bis heute beschäftigt: Warum kam die Polizei so spät?
WHAT TO WATCH
Die Zwanziger — Das Jahrzehnt der Frauen (1/2) — Alltag und Exzess — Die ganze Doku | ARTE — www.arte.tv
Im Ersten Weltkrieg haben die Frauen die vakanten Arbeitsplätze der an die Front abkommandierten Männer besetzt. Nun ertrotzen sie sich das Wahlrecht, kämpfen um gesellschaftliche Teilhabe und sexuelle Selbstbestimmung. Die ARTE-Doku kehrt an die Brennpunkte dieser ersten großen und globalen Emanzipationsbewegung zurück und taucht in hitzige Atmosphäre der zwanziger Jahre ein.
WHERE TO GO
Das Grundrecht auf Leben und Gesundheit. Rechtliche und ethische Gründe für Freiheitsbeschränkungen in der Pandemie
Mi. 17.02.2021 18:15 Uhr
Von Prof. Dirk Heckmann, Lehrstuhl für Recht und Sicherheit der Digitalisierung, TUM School of Governance
WHAT TO READ
Sugar-coated propaganda? Middle East taps into power of influencers.
On Messenger, false information spreads undetected, unchecked.
Die Europäische Union zieht gegen die digitalen Großkonzerne ins Feld. Das lohnt sich nicht.
Studie: Open Source trägt 95 Milliarden Euro zur EU-Wirtschaftskraft bei.
Bundesministerien kauften Microsoft-Software für 178 Millionen Euro.
Google’s $76 million deal with French publishers leaves many outlets infuriated.
Banning White Supremacy Isn’t Censorship, It’s Accountability.
Die Grenzen des Boulevard: Über das Leben und Sterben von Kasia Lenhardt.
‘Fuck Your Feelings’ Never Applies to White Men. The logic of abuse has ordered our lives for so long, it must not be allowed to rule our politics any longer.
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